„Also believe me, es ist gut, wenn du bleibst und sich was bewegt.“
Golda Barton hat mit Sistas! Tschechovs „Drei Schwestern“ quasi überschrieben. Gewisse Grundzüge sind in beiden Werken gleich. Der große Brand, der Abzug der Armee, das Motiv der Sehnsucht. Personen, die häufig lamentieren, aber nicht aus ihrer Komfortzone herauskommen. Manchmal wird in Sistas! sogar auch Tschechovs Originaltext gesprochen.
Das Stück spielt in den 90er Jahren. Ort der Handlung ist eine US-Militärbasis in Berlin. Der Vater der drei Mädchen ist ein amerikanischer schwarzer GI, der nach Amerika zurückging. Er hat sich nie um die Töchter gekümmert, die bei der deutschen Mutter aufwuchsen. Zu Beginn des Stückes erfahren wir, dass er sie besuchen will. Ivy, die jüngste, feiert ihren Geburtstag im sogenannten „Berliner Zimmer“ der Wohnung. Ganz in Petrolblau gehalten, ein Alptraum in Plüsch. Ein rosa Sofa, im Hintergrund ein großer rosa Plüschhase, links ein Klavier stellen die Innenausstattung dar. Rundherum eine Art Lametta-Vorhang. Das Licht taucht alles in ein Halbdunkel. Die Schwestern tragen ausgesprochen unkleidsame Kostüme in diversen dunkelroten bis dunkelrosa Schattierungen. Am Klavier sitzt eine junge Frau. Die Pianistin Soo Jin. Dass sie perfekt Deutsch spricht, wussten die Schwestern bisher nicht, deren Gedanken und Dialoge nur um ihre eigenen Probleme kreisen, um die alltäglichen Erfahrungen mit Rassismus und die Suche nach der eigenen Identität.
Die älteste der Schwestern ist Olivia (Isabelle Redfern), Lehrerin an einer Schule in Neukölln mit einem hohen Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund. Sie scheint nicht frei von Vorurteilen gegenüber arabischen und türkischen Schülern zu sein. Masha (Diana Marie Müller) ist liiert mit einem Langzeitstudenten aus einer wohlhabenden Familie und verliebt sich in einen jungen Afrikaner. Ivy (Pia Amofa-Antwi) ist Schauspielschülerin.
Die Gespräche kreisen immer wieder um die Frage, wo sich die Schwestern selber sehen und um ihre Erfahrungen mit Rassismus. Der Ton ist nicht wehleidig, die Dialoge durchaus klug und oft amüsant. Der Vater (Aloysius Itoka) hat in den USA eine neue Familie gegründet und findet sich eigentlich immer noch recht beeindruckend. Die Vorwürfe der Töchter, sie vernachlässigt zu haben, scheinen ihn nicht zu tangieren. Vielmehr fängt er gleich nach seiner Ankunft ein Techtelmechtel mit der Nachbarin Natty (Amanda Babaei Vieira) an. Sie ist eine äußerst geschäftstüchtige Person, die zielbewusst an ihrem Aufstieg in der Gesellschaft arbeitet.
Immer wieder werden alte Schwarzweißfotos an den Bühnenhintergrund projiziert, die Familien mit schwarzen Kindern und Vätern in Uniform zeigen. Zwischen den Szenen singt Isabelle Redfern - sie ist auch eine ausgebildete Opernsängerin - unter anderem Lieder von Schumann. Ein Moment des Innehaltens an diesem an Debatten und Diskussionen so reichen Abend.
Insgesamt ein sehr spannender Abend mit hervorragenden Schauspielerinnen, der bekannte Probleme divers und oft humorvoll, aber nie oberflächlich oder selbstmitleidig aufgreift.