Leuchtend geht die Erde zugrunde
Es ist wie ein buntes, farbiges Feuerwerk: Menschen rennen auf die Straßen, erfreuen sich am Schein bunter Lichter: Doch in Wahrheit zerplatzt hier nicht nur der Lebenstraum Swantje Plunders, sondern es wird auch das Ende der Welt eingeläutet. Swantje Plunder nämlich hatte die Atomkraft als einzig sichere, umweltneutrale Energiequelle ausgemacht. Sie wollte das Problem der Abfalllager lösen, indem sie die Brennstäbe im Weltall entsorgt. Das geht solange gut, bis eine Rakete vorm Eindringen in den Orbit explodiert. Da wurde ein Risiko halt nicht bedacht…
Was passiert mit der Erde, nachdem die Menschheit fast ausgelöscht wurde? Und was für Escape-Strategien gab es schon vorher? Wir erleben eine Menschheit, die völlig verblödet ist. Die Fähigkeit selbstständigen Denkens ist bis bis auf‘s Minimum reduziert. Alle sind abhängig von einem „Gerät“, das verblüffend unseren Mobiltelefonen ähnelt. Zeitlich viel früher verortet, versucht ein Mann, der der US-amerikanischen Landbevölkerung entstammt, den Zwängen der Zivilisation zu entkommen. Er will zu einem ursprünglich lebenden Volk in Ozeanien gelangen - landet schließlich bei scheinbaren Kannibalen. Die erweisen sich aber als sehr friedliebend und haben ihr Menschenfresser-Image nur vorgetäuscht, um in Ruhe leben zu können
Philipp Löhle führt diese Geschichten in Anfang und Ende des Anthropozäns zusammen, verwebt sie zu einem stringenten Theaterabend. Löhle profiliert sich dabei als durchaus geschickter Konstrukteur. Inhaltlich kratzt er die gestellten Fragen nach dem Umgang mit der Klimakrise und der Zukunft der Menschheit allenfalls an, ohne an irgendeiner Stelle ein wenig in die Tiefe zu gehen. Das ist mehr als enttäuschend. Dennoch erreicht er seinen vermutlichen Zweck. Alle Zuschauer*innen können sich „mit Anspruch“ unterhalten fühlen, erleichtert darüber sein, mit den Menschheitsfragen sich auseinandergesetzt zu haben und dann fast ohne schlechtes Gewissen den SUV besteigen und die Heimfahrt antreten.
Ausstatterin Elke König drapiert auf der Bühne rosa lackierte Holzkästen, die in ihrer Funktion variabel sind - dienen als Fahrzeuge, Flieger und Türen gleichermaßen. Regisseur Florian Bender findet für alle Handlungsstränge mit seinen Akteur*innen jeweils eine komplett andere Körpersprache, einen singulären Gestus. Die Menschen der Zukunft starren auf ihr „Gerät“, gehen und sprechen in grauen Filzanzügen roboterhaft mit abgehackten, hölzernen Bewegungen. Bender gelingt es, ihnen trotz Uniformität Individualität zu verleihen. Das ist eine große Leistung.
Das Ensemble - Ivana Langmajer, Alessandro Scheuerer, Gregor Eckert, Rosana Cleve und Erika Jell - fügt sich biegsam in Benders Regiekonzept. Das tun alle in großem Vertrauen auf den Regisseur. Deshalb können darstellerisch nur höchste Noten vergeben werden. Eine tolle Gesamtleistung des Teams.
Swantje Plunders Gatte widmet sich nach der Atomkatastrophe quasi zur Buße der Windkraft und wird stilgerecht von einem herabfallenden Rotor aufgespießt. Auch in Philipp Löhles Anfang und Ende des Anthropozäns hat die Rachegewalt griechischer Götter also nichts von ihrer Kraft verloren.
Dieser Abend überzeugt durch ein durchdachtes Regiekonzept und die darstellerische Leistung. Betrachtet man den Gehalt ist Löhles Stück - seien wir ehrlich - doch ziemlich entbehrlich.