Übrigens …

Jeeps im Theater Paderborn

Das Arbeitsamt als Lotterieunternehmen

Jeeps gelten Nora Abdel-Maksoud als pars pro toto für kostspielige Geländewagen. Gabor, Sachbearbeiter beim Jobcenter, hat sich einen solchen teils erspart, teils durch Kredite finanziert. Sein neues Klientel hingegen parkt die Stellflächen vor dem Amt mit von den Eltern finanzierten Luxusvehikeln zu. Der Staatsdiener muss sich mit seiner blanken Verachtung der Neukundschaft nicht begnügen. Denn die SUV-Eigner decken sich mit der Generation, die das Erbe ihrer in der Nachkriegszeit zu Eigenheim oder gar Villa und Aktienportfolio gelangten Eltern antritt. Kein Vergnügen mehr, denn der Staat hat beschlossen, die profitable Hinterlassenschaft einzuziehen und zu verlosen. Zum Loserwerb indes bedarf es eines bewilligten Antrags. Um einen solchen zu ergattern, wimmeln, fordern und schleimen die Erben durchs Jobcenter. Sachbearbeiter Gabor indessen findet immer einen Grund zur Ablehnung. Als Virtuose des Behördendeutschs bedient er sich dabei durchtrieben der zur Abschreckung lästigen Publikums errichteten Sprachhürden. Neben der Zuständigkeit für die Erben ist dem Amt die traditionelle für die Arbeitslosen verblieben. Bei der Kundschaft führt das zu ungeahnten Koalitionen. So verbinden sich Erbin Silke und Langzeitarbeitslose Maude, um ihre Ansprüche mit Pistolen- und Sprengstoffattrappe durchzusetzen. Final freilich werden sie von Gabor und seinem Kollegen Armin neuerlich ausgetrickst.

Alles dies serviert Abdel-Maksoud messerscharf mit blankem Zynismus, ebenso schrägen wie präzisen Dialogen und Pointenkrachern, bis das Lachen vergeht. Denn was Abdel-Maksoud schildert, rückt als durchaus nicht realitätsferne Voraussage bedrückend nahe. Wesentlicher Vorzug des im vorvergangenen Jahr in den Münchner Kammerspielen uraufgeführten Stücks ist die Enthaltung von jeder Parteiname. Die Figuren dürfen Aufmerksamkeit, aber keinerlei Sympathie beanspruchen. Die beiden Sachbearbeiter sind von Minderwertigkeitskomplexen geplagte soziale Aufsteiger. Erbin Silke betreibt ein absehbar zum Scheitern verurteiltes Start-up. Dauerarbeitslose Maude hat sich nie nach einer Alternative zur Existenz als erfolglose Groschenromanfabrikantin umgeschaut. Abdel-Maksouds zugleich wirklichkeitsnahe und pointenverzückte Dystopie zeigt sich auf der Paderborner Bühne in böskomischer Bestform. Regisseurin Sophie Killer spendiert unablässig Pointendrops. Der darin enthaltene Zucker freilich ist pures Gift. Während Sachbearbeiter Armin - freilich ohne sonderliches Engagement - noch Sympathie mindestens für sich fleißig bewerbende Arbeitslose zeigt, treibt Gabor sadistische Spielchen mit beiden Kundensegmenten, um sich darauf immer wieder in seinen geradezu autistischen Kokon zurückzuziehen. Höhere Tochter Silke drischt allerlei linksliberale Phrasen, lauert aber immerfort darauf, wie sie ihre Kombattantin Maude übers Ohr hauen kann. Maude selbst gibt sich bei Sophie Killer als Naivchen, dem gleichwohl der Verkauf der eigenen Großmutter zuzutrauen ist. Gabriela Neubauer stellt ein Jobcenter auf die Bühne, in dem zahlreiche Türen und geheime Zugänge den Beamten erlauben, der Kundschaft aus dem Weg zu gehen. Der Handlauf einer Treppe mutiert - wie bei der Ziehung der Lottozahlen - unversehens zur Schiene für die den Gewinn einer Erbschaft verheißenden Loskugeln. Neubauer, die zudem die Garderobe der Spielenden verantwortet, steckt die Billigprodukte konsumierende Maude in unförmige Säcke, Silke kommt mit einiger Eleganz und zugleich modisch satirisch-überpointiert daher. Armin präsentiert sich im lässigen Zweiteiler mit Jackett auf nackter Haut. Gabor bevorzugt eine skurrile Kreuzung aus Schuluniform mit kurzen Hosen und Straßenanzug.

Die vier Spielenden überzeugen durch die Bank. In die autistischen Züge von Sachbearbeiter Gabor mischt Thomas Kaschel allerhand Grausamkeiten. Kalten Blicks beäugt Kaschel Arbeitsamts-Bittsteller und Publikum. Jovial und zugleich desillusioniert gibt Gregor Weisgerber seinen Kollegen Armin. Kirsten Potthoff konterkariert Silkes berechtigte Forderungen durch die Überheblichkeit und Intriganz, mit denen sie ihre Luxusexistenz zu retten sucht. Bei Mirjam Radovic weiß sich die schwer vermittelbare Maude zum Opfer von Behördenwillkür zu stilisieren.