Zerplatzte Träume
Das zentrale Thema in Arthur Millers Stück ist heute aktueller denn je. Geht es doch um den Leistungsdruck in einer Gesellschaft, in der man ständig der scharfen Konkurrenz von Mitbewerbern auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt ist. Die Wertschätzung einer Person wird bestimmt durch den Erfolg im Beruf und die Anerkennung durch die anderen. Versagen und Arbeitslosigkeit können so zum Stigma werden, das den Außenseiter charakterisiert. Anweisungen zum glücklichen Leben sind nicht mehr Rezepte, wie man sich am besten bescheidet. Schlagwörter wie Leistungssteigerung und Effizienz und Ratschlage wie „Tipps für den Weg zum Erfolg“ sollen helfen, den beruflichen Aufstieg zu garantieren, ohne den viele glauben, selbst nicht geliebt zu werden.
In Arthur Millers Drama, das 1949 in Philadelphia zum ersten Male öffentlich aufgeführt wurde, ist Willy Loman die zentrale Figur. Sein Leben lang war er als Handlungsreisender unterwegs. Jetzt spürt er, dass er nicht mehr mithalten kann, seine bewährten Erfolgsrezepte versagen, die Aufträge bleiben aus. Fazit: der Juniorchef der Firma kündigt ihm, der amerikanische Traum vom ‚pursuit of happiness‘ zerplatzt. Statt seiner Frau Linda die Wahrheit zu sagen, flüchtet sich Willy in eine Scheinwelt, in der reale Fakten und Wünsche, Vergangenheit und Gegenwart verschmelzen. Sein einziger Stolz sind seine Söhne Biff und Happy, von denen er unbedingten Erfolg erwartet. Das allein zählt für ihn als Erziehungsziel. Als sich herausstellt, dass auch sie keine beruflichen Erfolgsstorys vorweisen können, bricht das Gebäude der Lebenslügen, das die Familie jahrzehntelang errichtet hat, in sich zusammen.
Robert Gerloff inszenierte den Tod eines Handlungsreisenden jetzt im Kleinen Haus des Düsseldorfer Schauspielhauses. Ein überdimensional großes Sofa steht quer auf der Bühne. Die Schauspieler sind im Vergleich dazu fast puppengroß. Sie krabbeln durch die Spalten des Sofas, ruhen sich auf der Rückenlehne aus oder sitzen am Sofarand. Ein gut gewähltes Bild für die triste Lage der Familie. Ganz klein in der realen Welt. Äußerst eindrucksvoll Thomas Wittmann als Willy Loman, ständig zwischen Hybris und Eigenlob (Letzteres erinnert an das berühmte Pfeifen im Wald) und Verzweiflung ob seiner desolaten Lage (Kündigung, Schulden, keinerlei Zukunftsperspektiven) schwankend. Ihm ebenbürtig Friederike Wagner als seine Frau Linda. Rührend bemüht, ihm eine Stütze zu sein. Obwohl sie den hoffnungslosen Status quo längst erfasst hat. Beeindruckend, wie sie von den Söhnen immer wieder Respekt vor dem Vater einfordert und besonders Biff (sehr vielseitig und intensiv: Sebastian Tessenow) beständig anfleht, sein Leben auf die Reihe zu bekommen, ist er doch besonders wichtig für den Vater. Linda: „Sein Leben liegt in deinen Händen.“
Auch Biff, ein ewiger Versager, hat nie Erfolg gehabt. Er sieht klar, dass Lebenslügen in dieser Familie dominieren: „In diesem Haus haben wir nie auch nur zehn Minuten die Wahrheit gesagt.“ Sein Bruder Happy (Jonas Friedrich Leonhardi, auch sehr überzeugend) hat zwar eine bescheidene Karriere gemacht und einen eher unwichtigen Posten in einer Firma erreicht. Aber auch er macht sich und den anderen etwas vor. Es ist ja so viel bequemer. Was natürlich nicht durchzuhalten ist.
Ein überaus anrührender und fesselnder Abend mit einem tollen Ensemble. Tabea Bettin und Thiemo Schwarz spielen jeweils verschiedene Nebenrollen.
Langer und stürmischer Applaus mit Standing Ovation.