Übrigens …

Die Steilwand im Mobiles Theater Bielefeld

Vom Bergsteigerinnendrama über‘n Zickenkrieg zum Happy-End

Das Bergsteigerinnenquartett Anna (Violeta Gomez), Julia (Ulrike Kleinehagenbrock), Kathy (Farah Elouahabi) und Laura (Sandra Hasenbein) wartet unterhalb des Fitz Roy im Zwischenlager in 3000 Metern Höhe auf die Freigabe zum Sturm des Gipfels. Die Freigabe erteilen wird Philipp (Peter Krudup von Behren), Annas Partner. Die Wartezeit vertreiben sich die Frauen mit der Bildung von Endlossätzen, in diesem Fall: „Während ich meinen Bizeps lockerte, merkte ich wie mein Trainer...“ Doch das ist nicht abendfüllend. Da ist die Frage, wer was nach erfolgreichem Abstieg unternimmt, ergiebiger. Also erfährt das Publikum ziemlich viel über die Frauen, jedenfalls mehr als sie über sich preisgeben wollen. Das Nichtvorgestellte wiederum wird ergänzt, beziehungsweise interpretiert durch die Begleiterinnen.

Julia hat für die Gruppe, die sich schon länger kennt und auch schon des Öfteren zusammen geklettert ist, einen Sponsor besorgt, dem es ganz wichtig ist, dass der Fitz Roy zum ersten Mal von einer reinen Frauengruppe bezwungen wird über die „Route der Slowenen“. Die andere Frau, die gleich auffällt, ist Kathy. Sie ist als Psychologin zur Leiterin der Gruppe bestimmt worden. Als Autorin, die sie auch ist, erklärt sie ihren dann doch etwas verdutzten Zuhörerinnen großspurig, dass sie keineswegs an all die wunderbaren Glücksversprechungen und anderen elementaren Zukunftsvisionen glaubt, die sie auflagenstark verbreitet. Daraufhin fühlt sich Laura bemüßigt, von sich preiszugeben, dass sie nach ihrer Rückkehr eine Brustvergrößerung plant. Das gibt natürlich viel Raum für Mutmaßungen über die Gründe dafür einerseits und Argumente dagegen andererseits. Anna wiederum schwärmt von einem Traumurlaub mit ihrem Liebsten, der in der Basisstation den Wetterfrosch und somit die Freigabe zum Gipfelsturm gibt. Als Anna dann so richtig über ihr wunderbares Verhältnis mit diesem Mann ins Schwärmen gerät, grätscht Kathy mit einem groben Foul dazwischen. Nachdem sich weder Anna noch Laura zu einem Bekenntnis um die Frage bequemen, ob sie um Philipps Doppelpassspiel in diesem Quartett wissen, spielt sie diese Trumpfkarte genussvoll aus. Auch ihre zweite Selbstdesavouierung begreift sie nicht. Die steht dann als Problem gleichwertig neben der Tatsache, dass Julia ganz offensichtlich nicht in der Lage ist, den Weg zum Gipfel zu bewältigen. Sie leidet unter MS, wie sie später erklärt. Erst mal ist sie „nur“ so krank, dass sie in Begleitung umkehren muss. Doch wer soll sie unterstützen beim Abstieg? „Freiwillige vor“ funktioniert nicht - der Triumph des Gipfelsturms zählt mehr. Wieder wird das Endlos-Satz-bilden-Spiel gespielt. Kathy verliert - sie will es nicht akzeptieren. Als sie dann doch nach wiederum endlosen Diskussionen einwilligt, kommt Julia mit der Sensation, dass es keinen Sponsor gibt, dass sie ihr Sparbuch geplündert hat, weil sie im Wissen um ihre Krankheit noch ein letztes Mal eine große Tour mit ihren Freundinnen machen wollte. Da bricht auf einmal wieder die große Solidarität aus - sie beschließen die letzten Seillängen zum Gipfel gemeinsam zu bestreiten. Und wenn es wegen Julia nicht bis zum Gipfel reicht, dann ist das eben so.

Der katalanische Autor Jordi Galcerán hat ein Drama geschrieben über Gruppendynamik von Frauen am Berg. Da wird auch heiße Luft produziert. Das ist den Frauen und dem Regieduo (Ulrike Kleinehagenbrock, Peter Krudup von Behren) nicht anzulasten. Die heiße Luft legte sich freilich vor allem im ersten Teil schwer auf die Bewegungsregie. Im zweiten Teil kam mehr Bewegung ins Spiel vor der Wand, die (wohl nicht) zu bezwingen war. Vor allem Farah Elouahabi zeigte im Positiven wie im Negativen beherzt, wie sie ihre Rolle als Leiterin der Gruppe sieht. Ulrike Kleinehagenbrock war durch ihre Rolle als Koregisseurin eingeengt. Sandra Hasenbein überzeugte als Frau, die für sich Gründe genug für eine Brustvergrößerung sieht. Weniger überzeugend dann der Schwenk zurück, das sei alles nur Fake gewesen... Der Text ... Violeta Gomes überzeugte auf dem Weg von der rettungslos Verliebten zur emanzipierten Frau, die weiß, was sie will. Ein Abend mit Schwächen, der aber trotzdem überzeugte. Das Publikum dankte mit viel Beifall.