„Emilia Galotti“ im RLT, ein Klassiker im neuen Gewand
Lessings 1772 in Braunschweig uraufgeführtes Trauerspiel erzählt vom Untergang einer bürgerlichen Familie in der Konfrontation mit dem feudalistischen Fürstenhof, wobei beim Konflikt der Familie Galotti mit dem Prinzen Gonzala der Akzent mehr auf dem moralischen als auf dem politischen Akzent liegt. In Lessings bürgerlichem Trauerspiel steht der Prinz von Guastalla zwischen zwei Frauen, der Gräfin Orsina, seiner Geliebten, die er nicht mehr begehrt, und der jungen Bürgerlichen, Emilia Galotti, die er begehrt. Nun muss er just an ihrem Hochzeitstag erfahren, dass sie dem Grafen Appiani, einem sehr würdigen jungen Mann, versprochen ist. Was er um jeden Peis verhindern will. Marinelli, der abgefeimte Berater des Prinzen, entwirft einen teuflischen Plan, um seinem Herrn aus der Klemme zu helfen, bei dessen Umsetzung der Graf getötet und Emilia zum Schloss des Grafen gebracht wird.
Gräfin Orsina, die verschmähte Mätresse des Prinzen, enttarnt die Intrige und klärt den um Emilias Tugend besorgten Vater auf. Das tragische Ende der Geschichte ist nicht mehr aufzuhalten.
Tom Gerber hat das Werk äußerst klug auf 70 Minuten gekürzt, indem er sich auf das Wesentliche konzentriert und manche Seitenstränge weglässt. Die Produktion im intimen Bühnenbild der White BOoX-Studiobühne trägt zur Fokussierung auf die Hauptaspekte bei. Gerber lässt sein hervorragendes Ensemble in historischen Kostümen spielen. Auch die Grundidee, dass der Prinz als Vertreter des Adels sich im Recht glaubt, wenn er Emilia um jeden Preis an sich bringen will und dabei keinerlei Skrupel zeigt, bleibt im Zentrum der Inszenierung. Ebenso wie die Forderung des Vaters Oduardo, dass die Ehe seiner Tochter heilig sei. Weshalb er überaus glücklich über den angesehenen gräflichen Schwiegersohn ist. Graf Appiani stimmt ihm zu, ist es doch „eine Ehre, sein Sohn zu heißen“. Im Mittelpunkt steht zweifelsohne Fenna Bennetz als gehorsame Emilia (in schwarzem, züchtigem Kleid mit einem weißen Schleier über dem Kopf), die zunächst einen Monolog über die Ehe („Entzieht euch einander nicht!“) und die Pflichten einer Gattin hält. Dann jedoch erscheint sie im Kostüm des Prinzen und übernimmt sogleich sein Denken und Tun. Ein fantasievolles Spiel, das letztlich an der Realität scheitert. Auch Hergard Engert überzeugt sowohl als Mutter Claudia als auch als Gräfin Orsina. Johannes Bauer gibt den braven Grafen, aber auch den schlitzohrigen Marinelli. Stefan Schleue ist Emilias glaubwürdiger Vater, dessen Welt ob der Schurkerei des Prinzen zusammenbricht.
Ein goldenes Harlekinkostüm symbolisiert den gräflichen Diener Marinelli, wobei alle Mitspielenden seine Position kurz einnehmen. Auch Marinelli selbst wechselt seine Positionen. Ein Spiel der Fantasie, das die Gedanken der Personen spiegelt.
Letztlich erscheint Emilia ganz in Weiß, sachlich und ruhig gestimmt. Entschlossen, sich nicht zwingen zu lassen. Eher den Tod zu wählen. Unklar, ob der Vater sie ersticht oder sie selbst ihrem Leben ein Ende bereitet. Eine fesselnde Inszenierung, die das Publikum nachdenklich zurücklässt.Zu Recht lebhafter, langer Beifall.