Übrigens …

Das Sparschwein / Die Kontraste des Kaufmanns im Schauspielhaus Düsseldorf

Eiskalte Spekulanten im tödlichen Spiel mit naiven Provinzlern

Ein Ballett tritt auf: vor einer Spiegelwand tanzen acht Figuren zu Jacques Offenbachs Musik einen schwungvollen Can-Can. Ein bisschen Paris vorweggenommen. Doch unter den opulenten rot-schwarzen Rüschen-Röcken tragen sie alle elegante schwarze Anzughosen und schon bald fallen die Röcke und die Acht stehen da mit Schlips und Kragen als Werber für die Bank Herakles. „Wir sind die Bank!“, rufen sie und im Chor singend und sprechend fordern sie mit Vicky Leandros „Sorg dich nicht ums Geld!“ Doch wenn es heißt: „Wir sind die Götter, von uns selber angefeuert, und Sie, Ihr Kapital, werden verfeuert,“ dann sind wir im Jelinek-Text, bei ihrer boshaft, zynischen Kapitalismuskritik Die Kontraste des Kaufmanns aus dem Jahr 2009 - inspiriert durch die Weltwirtschaftskrise, 2008 durch die New Yorker Lehman Brothers Investment-Bank verursacht.

Doch dann, blitzschnell in bieder-brave Spießer-Jacketts gesteckt, hängen die Acht als naive Provinzler über dem Kartentisch und beraten umständlich, was mit dem gut gefüllten Sparschwein, in das sie wöchentlich treu und brav ihre Spiel- Einsätze steckten, zu machen ist. Mit übertriebener Gestik und zu Grimassen verzerrter Mimik kommen sie zu dem Entschluss, gemeinsam nach Paris, „der Hauptstadt der Welt, zu fahren.

Da sind wir mitten im schrillen Vaudeville des französischen Dramatikers Eugène Marin Labiche (1815 – 1888), einem berühmten Vertreter dieses Genres, das in Deutschland etwas in Vergessenheit geraten, zwischen locker-frivoler Komödie mit Tanz- und Chansoneinlagen, Burleske und in unserem Fall auch Slapstick und Stummfilmanleihen changiert.

Unterdessen schwebt das fette titelgebende Sparschwein mit Flügelchen über dem Bühnengeschehen und wird mit zwei Schüssen aus der Flinte „geschlachtet“. Geldscheine schweben herab und während die Mannschaft sie umständlich zählen, werden schon Pläne geschmiedet: Der eine will sich Axt und Stemmeisen kaufen, andere wollen zum Zahnarzt oder zur Heiratsvermittlung gehen oder ein Schmuckstück erstehen. Doch alles kommt ganz anders: Im Restaurant fallen sie auf eine manipulierte Speisekarte rein, bei der Heiratsvermittlung werden ihnen die eigenen Leute angeboten und schließlich hält man sie gar für eine gesuchte Diebesbande. Sie landen bei der Polizei, die ihre Souvenirs als Diebesgut konfisziert, wenn der Kommissar auch meint, dass sie alle für Diebe zu dämlich seien. Obwohl es ihnen meist mit Bauernschläue gelingt, sich wieder herauszuwinden, bleibt doch am Ende nur der Ausweg, den sie mit der unbezahlten Rechnung verfolgenden Kellner (herrlich bizarr gegeben von Orlando Lenzen) niederzuknüppeln. Tot oder lebendig? Das bleibt offen.

Noch einmal gibt es Can-Can, diesmal mit weißen Liebestötern unter den Rüschen-Röcken, dazu erklingt „Hinter den Kulissen von Paris“ – und da man unterschiedliche Kulissen braucht, wurde die Guckkastenbühne in der Mitte des Bühnenraumes auf Rollen gestellt und immer mal wieder von allen Mimen gemeinsam gedreht: mal langsam, unter scheinbarer Anstrengung, mal rasend, wie ein Karussell. Das gesamte burleske Geschehen wird immer wieder verknüpft und kommentiert durch Einschübe des sprachmächtigen Jelinek-Textes, ihre verschmitzten Wortspiele (die Wahre Liebe ist eine liebe Ware), die auch mal mit Szenenapplaus bedacht werden.

Am Ende sind die Banker dran: Mittellos durch die Wand.. wird gesungen und in Erinnerung an eine Familientragödie 2008 in Österreich gibt’s ein grausiges Fazit. „Die Kinder schlachten? Die Frau erschlagen? Die Eltern, den Schwiegervater? Ein Overkill. …Alle tot.“ Schuld daran ist das böse Geld.

Grandios, wie André Kaczmarczyk (Regie) und Janine Ortiz (Dramaturgie) die beiden Texte – den 160jährigen Vandeville und die heutige Textfläche - verknüpfen und wie die acht Mimen einzeln und im Chor, singend, sprechend, auch mal deklamierend mit krasser Mimik und Gestik, meist in schriller Überzeichnung daraus einen virtuosen Theaterabend machen. Die Acht auf der Bühne sind Studierende des Schauspielstudios Düsseldorf zugehörig zur Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ in Leipzig. Sie alle sind am Ende ihrer (offensichtlich erfolgreichen) Ausbildung: Michael Fünfschilling, Sarah Steinbach, Luise Zieger, Elias Nagel, Roman Wieland, Jule Stuck, Charlotte Schülke und Orlando Lenzen. Das Publikum applaudierte begeistert.