Übrigens …

Die letzten Männer des Westens im Köln, Schauspiel

„Wie macht Ideologie Menschen zu Mördern?“

Tobias Ginsburg, 1986 in Hamburg geboren, studierte u.a. an der Bayerischen Theaterakademie. Für seine literarischen Reportagen betreibt er aufwendige Recherchen. 2021 veröffentlichte er sein Buch Die letzten Männer des Westens, in dem er Verbindungen zwischen rechten Netzwerken untersucht. Wie werden Neuankömmlinge rekrutiert? Weshalb spielen Männlichkeitswahn, Antifeminismus und Schwulenfeindlichkeit in der extremen Rechten und in faschistischen Bewegungen, die zunehmend an Macht und Sichtbarkeit gewinnen, eine so wichtige Rolle? Ginsburg recherchierte undercover in diversen Männerverbänden, da es dann nicht das Problem einer möglichen Verschleierung gab. Für das Schauspiel Köln dramatisierte er das Buch, schieb Dialoge für Männerchöre und ließ eine Statue von Hitlers Lieblingskünstler Arno Breker lebendig werden (den Vogelmann). Ergebnis: ein durchaus humorvoller Abend, der aber das Narrativ einer Weltverschwörung aller gekränkten Männer scharf und kritisch zeichnet.

Rafael Sanchez, Hausregisseur und designierter Interimsintendant des Kölner Hauses, hat die Reportage Ginsburgs (der sich ab und an per Video einschaltet und kommentiert) in einem höchst lebendigen, unterhaltsamen Abend mit einer schnellen Szenenabfolge umgesetzt, der aber auch schockiert und zum Nachdenken anregt. Ist es doch Gedankengut, das sich heute mehr denn je ausbreitet wie ein schleichendes Gift.

Zu Beginn sehen wir ein Waldstück mit ein paar kahlen Baumstümpfen. Ginsburg kommentiert per Videoleinwand, dass Rechtsradikalismus, Antifeminismus und Homophobie immer von gekränkter Männlichkeit ausgehen. Hier im Wald trifft sich eine „FDP-nahe Gruppe“ der verschiedensten bürgerlichen Berufe zu Kampfsportübungen. Alle fühlen sich als Opfer von Feminismus („Gendergaga“) und häuslicher Gewalt: „Heutzutage wird mit der Gleichmacherei übertrieben.“ Yvon Jansen spielt den Undercoverjournalisten mit Bärtchen und Glatze. Sie hört zu, kommentiert hier und da, aber schließt sich nie der vor Testosteron triefenden Meinung der Männer an. Zuweilen spricht sie zum Publikum als neutraler Beobachter.
Die Szene ändert sich. Eine superlange Stretchlimousine fährt herein. Ein Frosch springt heraus. Pepe, einst harmloser Cartooncharakter im Internet, ist längst das globale Symbol für Frauenhass, Neofaschismus und Rechtsradikalismus geworden. Schnell folgen weitere Frösche und tanzen ein Ballett. Weiter geht es zu einer schlagenden Verbindung in Marburg, die auch die Grundsätze des Männerbundes erklärt. Auch hier laufen die Fäden des braunen Filzes zusammen, wie uns die Journalistin erklärt. Gut dazu passend das Lied „Es braust ein Ruf wie Donnerhall“. Ein rechtsradikaler Rapper und ein Besuch der rechten „Ordo Juris“ in Polen, einem Institut für Rechtskultur, ergänzen das Spektrum. Brekers Vogelmensch kommentiert alles.

Insgesamt lernen wir viel über diverse rechte Gruppierungen und ihre gefährlichen Gedanken. Wobei manches banal alltäglich oder obsolet erscheint, sich aber dennoch rasend schnell verbreitet bzw. verbreitet hat.
Sehr kurzweilig präsentiert mit durchweg hervorragenden Schauspielern (Nikolaus Benda, Yuri Englert, Andreas Grötzinger, Nicola Gündel, Benjamin Höppner, Yvon Jansen, Kei Muramoto, Birgit Walter, Slawa Schander), aber auch mit der Warnung, auf der Hut zu sein. Unbedingt ansehen!