Übrigens …

Muttertier im Köln, Schauspiel

„Da ist es wieder, das Muttertier.“

Das Schauspiel Köln zeigte jetzt die deutsche Erstaufführung von Leonie Lorena Wyss‘ Muttertier. Ausgezeichnet mit dem Retzhofer Dramapreis 2023 und ausgezeichnet beim Heidelberger Stückemarkt. Ein einerseits humorvolles, poetisches Stück, das aber auch deprimierende Aspekte hat. Geht es doch um drei Geschwister, die sich am Krankenbett der Mutter an ihre Kindheit erinnern, in der sie oft sich selbst überlassen waren. Die alleinerziehende Mutter konnte sich nicht um sie kümmern, bedingt durch eine Abwesenheit, deren Ursache eine nicht näher benannte psychische Krankheit war. Die Geschwister flüchteten sich oft – mit Erdnussflips und Gummischlangen – in eine Traumwelt, in der sie Szenen des Films Titanic immer und immer wieder nachspielten. Realität und Fiktion verschwimmen zuweilen. Und immer wieder warten sie darauf, dass die Mutter das Krankenbett verlässt, aus dem Schlafzimmer kommt und ihnen Fischstäbchen brät – wie früher.

Im Schauspiel Köln inszenierte der Nachwuchsregisseur Claus Nicolai Six das sprachgewaltige Stück in der „Grotte“. Die kleine Spielstätte mit dem intimen Rahmen passt hervorragend zu diesem komplexen Thema. „Mich hat interessiert, wie die Kinder miteinander, aber jeweils auch für sich mit der psychischen Krankheit der Mutter umgehen, die sich von der Kindheit bis in die Gegenwart zieht“, so Six. Mal lässt er sie im Chor, als Einheit, sprechen, dann wieder einzeln, um ihren unterschiedlichen Umgang mit der Krankheit zu zeigen. Als Zuschauer bekommt man die ganze Gefühlsachterbahn der Geschwister – hervorragend gespielt von Markus J. Bachmann, Ramona Petry und Fabi Ten Thije – intensiv mit. Ab und zu hört man die Maschine, die Luft in den Körper der Mutter pumpt. „Da liegt sie halbtot, aber sie atmet noch.“ Die Drei berichten vom Besuch im Krankenhaus, wie sie am Bett stehen und wie die Ärztin sie mit einem „Strohhalmblick“ anschaut. An den schlechten Tagen tut die Mutter gar nichts, an guten Tagen kann sie am Strohhalm saugen. Und dann flüchten sie sich immer wieder in ihre Traumwelt mit der Titanic, lachen und rangeln miteinander. Erinnerungen an unbeschwerte Badeausflüge mit der Mutter werden beschworen, sie auf der Rückbank, die Mutter am Steuer. Man taucht als Zuschauer immer wieder ein in dieses Wechselbad der Gefühle. Diese Erinnerungen an schöne, vergangene Erlebnisse in einer sorglosen Zeit angesichts des bevorstehenden Todes eines nahestehenden Menschen sind nur allzu verständlich. Insgesamt ein beeindruckender Abend, den man so schnell nicht vergisst. Zu Recht reichlich Applaus für Ensemble und Regieteam.