„Was macht einen Menschen zum Erben?“
Rafael Sanchez inszenierte am Schauspiel Essen Nora Abdel-Maksouds Satire über das Thema Erben bzw. die ungleiche Verteilung von Kapital in der Gesellschaft und die damit verbundenen sehr unterschiedlichen Chancen im Leben. Wer das Glück hat, zufällig in eine reiche Familie hineingeboren zu werden, der hat von Anfang an die Garantie, einmal genug zu erben, um sorglos leben zu können – hat also in der „Eierstocklotterie“ das große Los gezogen.
Abdel-Maksoud schlägt eine „kleine“ Änderung im Erbrecht vor, die den Sachverhalt entscheidend verändert. Die Erbmasse fällt an den Staat und wird in einer Lotterie des Jobcenters neu verteilt. Die Behörde, geübt in der Verwaltung großer Menschenmassen, übernimmt dabei die Losverteilung.
Rafael Sanchez brachte Jeeps auf die Bühne des Grillo-Theaters. Das Bühnenbild auf der Drehbühne ist fern jeder Realität. Eine Seite zeigt die Silhouette eines Herrenhauses mit Kronleuchter davor, davor eine Art Baustelle, die andere Seite nur eine Bretterwand. Multifunktional.
Zu Beginn kommt Maude, eine junge Frau, zum Amt und steigt zuerst auf eine Leiter, um eine Glühbirne auszuwechseln. Was dem älteren Mitarbeiter des Arbeitscenters, Armin, nicht gelingen will. Maude, eine „Opferwurst“, wie die Antragsteller von den Mitarbeitern des Arbeitsamtes genannt werden, ist stinksauer, hat man ihr doch gerade das eingesammelte Flaschenpfand vom Bürgergeld abgezogen. Eine weitere Kundin im Jobcenter ist Silke, Akademikertochter, Start-Up Gründerin und gerade ihres beachtlichen Erbes dank der neuen Regelung beraubt. Jetzt ist sie wild entschlossen, ein Los zu ergattern, koste es, was es wolle. Neben Armin, der sich über die Masse der Ablehnung von Anträgen und über die Vorurteile gegenüber der Verwaltung beklagt, lernen wir Gabor kennen, seinen jüngeren Kollegen. Der lobt seine eigene untadelige Arbeitshaltung und schwärmt ansonsten permanent von seinem Jeep.
Der Abend besticht durch Wortwitz, den sehr ungewöhnlichen Plot und natürlich durch das exzellente Ensemble, ferner durch Slapstick, manche Gesangseinlage und – nicht zuletzt – durch durchaus realistische Einblicke in das triste Dasein der im Amt um Zuschüsse und Jobs anstehenden „Opferwürste“.
Bettina Engelhardt (Silke), Floriane Kleinpaß (Maude), Mansur Ajang (Armin) und Christopher Heisler (Gabor) gelingt ein höchst unterhaltsamer Abend, in dem Handlung und Kommentare dazu blitzschnell wechseln.Das Publikum honorierte die gelungene Inszenierung mit reichlich Applaus.