Macbeth – eine Geschichte von Moritaten
Das Shakespeare Festival in Neuss ist ohne die HandleBards aus London nicht mehr vorzustellen. Die Schauspieler dieser Company verstehen sich als freies radelndes Theater, das am liebsten im Freien spielt. Sie befördern ihr gesamtes Equipment – Kostüme, Bühnenbild, Requisiten – mit dem Fahrrad. Der Name HandleBards leitet sich her von den handlebars, dem Fahrradlenker, ergänzt durch ein B als Referenz an den Barden.Macbeth handelt von der Tragödie der Kinderlosigkeit und von der Besessenheit, nicht nur die Gegenwart, sondern auch die Zukunft beherrschen zu wollen. Sicherlich auch eine Fallstudie eines Verbrechers, für den, nachdem er einmal die Grenze der Erfahrung, wie es ist, zu morden, überschritten hat, alles Weitere möglich und einfach zu sein scheint. („…all is but toys…“). Die Bluttat hat ihn verwandelt wie auch die Welt, in der lebt.
Die Geschichte in Kürze: Hoch- und Landesverrat sind niedergeschlagen, die norwegischen Eindringlinge vertrieben, Schottland kann friedlichen Zeiten entgegensehen. Die Feldherren Macbeth und Banquo begegnen auf ihrem Weg zum König Duncan drei Hexen, deren Prophezeiungen zum Morden aufhetzen.
Macbeth wird oft als der unglücklichste der Shakespeare-Helden bezeichnet, da er der mit der lebhaftesten Einbildungskraft ist. Eine eindeutige Analyse des Textes ist kaum möglich, denke man nur an die Frage nach dem Antrieb des mörderischen Paares und nach dem Motiv für den Umschwung im Charakter von Macbeth und seiner Frau. Er verwandelt sich in kurzer Zeit von einem zaghaft Ehrgeizigen in einen hemmungslosen Wüterich und aus der opportunistischen, skrupellosen Anstifterin wird eine von Reue Zerknirschte, die ihrem Leben selbst ein Ende setzt.
Neu bei dieser ersten Produktion, die die HandleBards in Neuss zeigen, ist die Begrenzung auf zwei Schauspielerinnen. Mühelos meistern Lucy Green und Roisin Brehony diesen Kraftakt. Ein bunter Vorhang erlaubt schnelle Kostümwechsel, Manchmal sind es nur Teile eines Kostüms, die eine Person charakterisieren, bzw. einfache Requisiten reichen völlig aus für den Sprung von einer Rolle in die andere.
Girlanden mit Fähnchen in verschiedenen Tartanmustern verweisen auf den Handlungsort Schottland.
Umwerfend schon der Beginn, wenn wir die beiden durch einen zerlumpten Vorhang mit Löchern gestikulieren sehen und sofort „the weird sisters“, die drei Hexen, vor Augen haben. Roisin Brehony beeindruckt auch als besessener Macbeth, beide Schauspielerinnen verkörpern u.a. auch diverse Untergebene, die – was Mimik und Bewegung betrifft – für die Zuschauer echt vergnügliche „Macken“ haben. Überhaupt sind es manch humorvolle Momente ebenso wie Slapstick-Einlagen, die der Interpretation des düsteren Dramas komödiantische Glanzlichter aufsetzen. Zur Pause imitieren die beiden Akteurinnen die von Dudelsäcken gespielte schottische Nationalhymne, was für spontanen Beifall sorgt. Die Idee, einzelne Zuschauer mit auf der Bühne spielen zu lassen, darf auch nicht fehlen. So gibt ein Zuschauer Banquos Geist bei Macbeths Festmahl. Es ist ein ungemein fantasievolles Spiel. Rote Bänder symbolisieren Blut, ein großes Blatt reicht aus, den Wald von Birnam darzustellen.
Insgesamt ein turbulenter, bunter Abend mit viel Körpereinsatz und zahlreichen witzigen Einfällen, vor allem aber zwei grandiosen Schauspielerinnen.
Standing Ovations und Jubelrufe zu Recht.