Ein Abend der Missverständnisse und der gestörten Beziehungen
Dana Vowinckel, 1996 geboren, wuchs in einer jüdischen Familie in Berlin auf. Die Sommermonate verbrachte sie immer bei den Großeltern in Chicago. 2023 erschien ihr Debutroman Gewässer im Ziplock, für den sie mehrere Preise erhielt, u.a. den Mara-Cassens-Preis.
Der Roman spiegelt viele Erfahrungen der Autorin wieder. So verbringt Margarita, die Protagonistin, die Sommerferien bei den Großeltern in Chicago. Ihr Zuhause ist Berlin, wo sie mit ihrem Vater Avi, der Kantor in der jüdischen Gemeinde ist, lebt. Wir erfahren, dass er noch in seiner Heimat Israel seine Frau Marsha kennenlernte, mit der er nach Berlin zog. Dort hielt diese es nicht lange aus und verließ die Stadt.
Der Abend beginnt am 28. Juli 2023 und endet am 24. August 2023. Die Daten werden jeweils eingeblendet. Wir erleben, wie das junge Mädchen sich von der Fürsorge der Großeltern genervt fühlt. Diese organisieren ein Treffen von Margarita mit ihrer Mutter Marsha in Jerusalem. Auf dem Flug nach Tel Aviv lernt sie den zwei Jahre älteren Lior aus Tel Aviv kennen. Als ihre Mutter nicht am Flughafen ist, übernachtet sie bei ihm. Marsha macht mit ihrer Tochter eine Rundreise durch Israel, äußerst bemüht, einen Zugang zu ihr zu finden, wobei die zwei Frauen aber nicht wirklich zueinander finden. Ein Unfall im Hause der Großeltern – die Großmutter muss ins Krankenhaus – lässt die Familie in Chicago zusammenkommen. Eigentlich genug Stoff für einen spannenden Theaterabend.
Schön das Bühnenbild mit angedeuteten Sandbergen. Ortswechsel werden durch von oben heruntergelassenen Möbelstücken verdeutlicht. Eine gute Idee, schwebten nicht diese Möbel zu oft auf und ab, was an dem schnellen Wechsel der Szenen liegt. Überhaupt kann man sich kaum in eine Familienbeziehung einfühlen – sei es die Vater-Tochter-Beziehung oder der Kontakt zwischen Margarita und den Großeltern -, da kommt schon, meist hektisch, das nächste Happening. Und da es zwischen fast allen Personen Konflikte gibt, wird meist hitzig diskutiert.
Caroline Cousin spielt Margarita sehr engagiert als einen typischen Teenager, der sich über alles schnell aufregt. Sei es der am Mittagstisch schlürfende Opa (Thomas Wittmann), sei es der Vater, von dem sie sich nicht ernst genommen fühlt. Avi wird von Jaron Löwenberg als besorgter Vater gespielt. Wir erfahren von ihm zudem einige Details aus der jüdischen Glaubenswelt, wenn er zum Beispiel mit Kippa und Gebetsschal das Morgengebet betet. Im Programmheft findet sich ein Glossar, das wesentliche Begriffe aus dem Judentum erläutert. Hilfreich auch Avis Bemerkungen zu seinem Beruf als Kantor. Cathleen Baumann gibt eine hektische, oft übers Ziel hinausschießende Marsha, deren Bemühungen, ein engeres Verhältnis zur Tochter aufzubauen, nicht von Erfolg gekrönt sind. Lediglich Friederike Wagner als Großmutter spielt diese zentrale Figur, um die sich das Familiengeheimnis rankt, überwiegend ruhig und daher überzeugend.
Insgesamt kann man sagen, dass in dieser Uraufführung durch zu viel hektisches Spiel und lautes Streiten die Chance vertan wurde, in die an sich äußerst spannende Geschichte dieses Mädchens, das sich zwischen verschiedenen Welten bewegt, einzutauchen. Lebhafter Beifall.