Fünf Frauen in schicken Kostümen
Vor den schwarzen Eisernen Vorhang kommt eine Lady in blassgelbem Kostüm mit Hütchen und künstlich-blonden Löckchen gestöckelt. „Kein Licht über dem Wasser,“ sinniert sie vor sich hin, sie scheint über den Rhein zu blicken, auf dessen Grund sie neben dem Nibelungenschatz die beim Anrücken der amerikanischen Panzer schnell ins Wasser geworfenen Naziembleme vermutet.
Wir sind im Bonn der achtziger Jahre, die Frau ist Eva, eine der fünf Frauen, die uns in dem Stück Frauen vor Flusslandschaft vorgeführt werden.
Es ist die Adaption des letzten Böll-Romans, der Szenen aus dem Leben der politischen Prominenz der Nachkriegszeit präsentiert, gesehen und erlebt aus der Perspektive der Frauen als Ehefrauen, Freundinnen oder Lebensgefährtinnen. Ein Roman in Dialogen, Monologen, Selbstgesprächen, der wie ein Lesedrama daherkommt, mit Regieanweisungen in der Erzählfunktion.
In der Bonner Bühnenfassung lassen die Autoren John von Düffel und Nadja Groß die Männer gleich ganz weg, sie werden auf wenige Audio-Einspielungen reduziert und durch eine lange Stange voll schwarzer Jacketts repräsentiert.
Wenn der Eiserne Vorhang sich erhebt, sind wir in einem schmucklosen Raum, in dem nur einige Sitzkisten und ein Flügel, später dann noch besagte Stange stehen, ein wenig spartanisch für das Luxussanatorium, in dem das Geschehen seinen Lauf nimmt, in dem allerdings – wie wir schon bald erfahren – die Wände Ohren haben. Eva (etwas überdreht gegeben von Lydia Stäubli) – Ehefrau des jungen Grafen von Kreyl und Geliebte des Linken Ernst Grosch – trifft hier auf Katharina – Studentin und Gefährtin eben jenes Grafen – die als Servierkraft sich etwas dazuverdient und so in die diversen Häuser kommt. Sie wähnt „Bonn voller Spitzel“ und ermahnt Eva, niemandem zu vertrauen, damit es ihr nicht ergehe wie den beiden Frauen, die bereits in diesem Sanatorium landeten, um deren Erinnerungen zu „korrigieren“. Obwohl Katharina (Trang Dong) zur nächsten Generation gehört, und offenbar den Durchblick hat, trägt sie die gleiche angepasste gelb-graue Kleidung wie die anderen und gibt ihrer Rolle auch so gar kein jüngeres Kolorit.
Drive bekommt das Ganze, wenn Elisabeth (eindrucksvoll: Ursula Grossenbacher) im gelben Rüschenkostüm erscheint und im Streitgespräch mit der leicht arroganten Klinikchefin Dr. Dumpler (Sophie Basse) versucht, ihr wahres Schicksal darzulegen. Doch die Ärztin hört ihr nicht zu, steht ganz auf der Seite der Reichen und Mächtigen, die der Politikergattin Verwirrung und einen „Russenrechtfertigungsmechanismus“ unterstellen. Dass sie auch zur von Böll denunzierten Klicke gehört, erfahren wir später. Elisabeth, geborene Baronesse von Bleibnitz, ostdeutscher protestantischer Adel, heiratete den Karrieremacher Dr. Blaukrämer, um dem Lagerleben zu entkommen, wurde geschieden und hört jetzt, dass dieser Mann „schlimmer als mancher SS-Typ“ zum Minister ernannt wird. Am Tag der Ernennung erhängt sie sich.
Den Suizid nimmt Jens Groß - Intendant des Hauses und Regisseur des Stücks - zum Anlass, die Böll‘sche Melancholie, die er bis dahin mit Trippeltänzchen und Flügelknallern bis zur Groteske treibt, ein wenig aufzubrechen: die überlebenden Frauen solidarisieren sich, kommen zur Erkenntnis, dass „die Politik eine viel zu ernste Sache“ ist, um sie allein den Männern zu überlassen. “Wir müssen raus aus dem System! Übernehmen wir den Laden!“ lautet ihr Entschluss, der zumindest verbal gefasst wird, während sie ihre Lackpumps von sich schleudern.
Als Zeichen des Aus- und Aufbruchs folgen Videoeinspielungen von engagierten Frauen: die junge Ingrid Matthäus-Meyer, Petra Kelly, Waltraud Schoppe, Rita Süßmuth, sie alle in Wort und Bild, allerdings geht Jens Groß dabei nicht wirklich über die Bonner Zeit hinaus.
Politische Ereignisse, Namen und Erinnerungen werden angetippt, können für Böll-Kenner auf Romanfiguren und/oder auf historische Politgeschichten der Bonner-Zeit verweisen, bleiben jedoch nur angedeutet. Ein Bezug zu heutigen Parallelen herzustellen, überlässt Groß den Köpfen des Publikums.
Insgesamt ein unterhaltsamer, doch etwas farbloser Abend.