Eine Stunde Sinnsuche
Wir sind in der Spielstätte 34Ost - einst Verkaufshalle für Elektrogeräte. Auf die gesamte Länge fällt das Nachmittagslicht durch die ehemaligen Schaufenster. Am äußersten Ende sind Bänke aufgestellt, davor stehen zwei Paletten mit Wasserflaschen, sonst keine Requisiten. Es ist freie Platzwahl, eine junge Frau geht herum und verteilt locker zusammengelegte, hektographierte Blätter. Auf der ersten Seite eine kleine Abbildung der fünf Phasen eines „Delfinkopfsprungs gehockt“. Dann viel Text, der erste Teil des Stücktextes, am Ende die Skizze zur „Reflexion und Brechung an einem Wassertropfen“. Ein Hinweis auf Sinn und Bedeutung der Aufführung fehlt.
Die junge Frau (herrlich unbeholfen: Charlotte Kath) versichert sich, dass alle die Blätter bekommen haben, schaut sich rat- oder hilfesuchend im Raum um und beginnt dann zögerlich unsicher zu sprechen: „dann können wir direkt auch gleich anfangen ne schön dass ihr wieder da seid erstmal Herzlich wieder Willkommen bei immereinegutepartie24.de die Party eh die Freizeitedition ne findyourhobby24/7.ne“. Dann vertröstet sie uns, dass „wenn die Bianca dann gleich kommt mit ihrem Herz aus Gold ne die kommt ja gleich ne dann können wir direkt auch gleich anfangen“ und so weiter, und so weiter.
Jetzt wissen wir zumindest, dass wir bei „immereinegutepartie24.de“ zu Gast sind und nicht, wie vom Veranstalter angekündigt, bei der Theatergruppe „undBorisundSteffi“ aus Bochum, die 2016 von Charlotte Kath, Sandra Reitmayer und Lisa Birke Balzer gegründet wurde und die heute sowohl für Text und Regie, als auch für die Songs verantwortlich zeichnen.
Also, wir warten angeblich auf Bianca, damit es losgehen kann, doch die steht draußen auf dem Bürgersteig und dreht sich gemütlich eine Zigarette. Sie sorgt dafür, dass all die Passanten, die so ganz zufällig vorübergehen, ein bisschen mit zur Spiel-Deko werden. Irgendwann kommt Bianca (zunächst teilnahmslos Lisa Birke Balzer) tatsächlich mit einem Gabelstapler voller Wasserflaschen angefahren, verschwindet aber tonlos, um das Ganze mehrfach zu wiederholen. Währenddessen berichtet Charlotte ziemlich verquer von diversen Workshops, über Langeweile und Midlifecrisis, auch mal von draußen, fürs Publikum nur über den Lautsprecher zu hören. Schließlich kommt sie zum Turmspringen „das geht schnell ne ein Sprung dauert genau ungefähr 1,64 Sekunden und ehm also die Zeit bis sich das Auge scharf stellt ne Akkomodationsreflex …“, dabei klettert sie auf den zum Dreimeterbrett erklärten Gabelstapler und macht uns die Übung „EinsZweiDrei und Hopp“ ganz praktisch vor. Dafür gibt es Szenenapplaus.
Szenenwechsel: Charlotte zieht schwarze Vorhänge vor die Schaufenster, Bianca kommt mit einem Saxophon und in Begleitung von Kalle Kummer, der am Synthesizer sitzt, ganz nahe vors Publikum und die Beiden beginnen ein wundervolles Konzert mit Gesang und Klang.
Währenddessen verteilt Charlotte die angelieferten Wasserflaschen über die Bühnenfläche - genau 72 Sixpacks mit 1,5 Literflaschen (648 Liter!), blauschimmernd in Plastik.
Dazwischen auch noch Text: „Ich stotter in Gedanken. Stolper übers Formulieren, verrenne mich im Reden. Trotzdem fahre ich ein paar Runden nach Sinn und ohne Verstand. Nur ich kann das alles entziffern, denkst du!“ Fehlerfrei steht das im Text und leider ist es wahr: tatsächlich denke ich, dass für mich vieles ohne Sinn und Verstand bleibt. Dennoch habe ich mich amüsiert. Nicht nur ich: es wurde viel gelacht.
Am Ende dann trugen die Drei ein großes Plakat mit einem Delfin durch den Raum. Das Verständnis wurde dadurch nicht leichter, aber witzig war es schon, denn irgendwie ging es ja im Titel um DELPHIN.
Es gab herzlichen Applaus.