Übrigens …

Moby Dick im Schauspielhaus Düsseldorf

A man and his whale

Bob Wilson, 1941 in Waco/Texas geboren, zählt zu den bedeutendsten Repräsentanten des Gegenwartstheaters. Charakteristisch für seine Arbeiten ist eine überaus gekonnte Kombination von Tanz, Architektur, Malerei, Musik und Schauspiel. Nicht zu vergessen ein besonderes Lichtdesign, das kühle, ästhetische Bilder schafft. So auch in seiner neuen Arbeit am Düsseldorfer Schauspielhaus.

Wilson präsentiert in Moby Dick eine ungewöhnliche Interpretation des Jahrhundertromans von Herman Melville. Die Geschichte in Kürze: Ismael fährt zur See und heuert auf Kapitäns Ahab Walfänger an. Dieser ist besessen von der Jagd nach Moby Dick, dem weißen Wal, der ihm einst ein halbes Bein wegriss. Melville zeichnete in seinem Roman aber nicht nur Ahabs Schicksal, sondern schuf auch ein Portrait der Walfängergemeinschaft und ihrer Herkunft. Wilson gelingt es, mit einigen klug ausgesuchten und eindrücklich bebilderten Kapiteln ein Szenario dieser Geschichte vorzuführen, Wobei - wie in früheren Inszenierungen von ihm, z.B. im Sandmann - auch an diesem Abend Songs von Anna Calvi mit zu einer teils mystischen, teils sehr emotionalen Atmosphäre beitragen, so z.B. „Desire“ („All I want is Blood“): „My desire is driving me wild with a fever, I see him in every sunlit wave… and all I want is his blood.“ Ahab.

Schon zu Beginn des Abends wird das Publikum in Bann gezogen von dem überdimensional großen Bild eines Riesenwals mit einem auffallend hellen Auge, man hört überall im Zuschauerraum die Meeresbrandung toben und Möwen kreischen. Lautes Trommeln und lauter Gesang erhöhen die Spannung.

Wilson hat den Riesenroman auf 20 Sequenzen gekürzt. Und doch funktioniert es: wir erleben den fanatischen Hass des Ahab (großartig: Rose Enskat), die Gemeinschaft der Walfänger und ihres Heimatortes, wo die Menschen in die Kirche des kleinen Ortes strömen. Eindrucksvoll dargestellt durch alte Filmaufnahmen aus einem Walfängerort, ergänzt durch eine live gespielte Szene aus der Kirche auf der Bühne. Vertraut von früheren Wilson-Produktionen: die weiß geschminkten Schauspieler mit roten Mündern und zementiert festen Frisuren. All das passt hervorragend in diesen skurrilen Bilderbogen. Immer wieder Möwengeschrei und schwarz-weiße Filmaufnahmen von tosender See und Möwen. Und immer wieder schaut uns der die ganze Bühne füllende Riesenwal an. Ein fast scherenschnittartig aussehendes großes Haus ist der Gegenpol, ein Hort der Geborgenheit. Christopher Nell spielt absolut genial „the boy“, eine von Wilson hinzugefügte Person. Er wirbelt über die Bühne, taucht unerwartet an allen möglichen und unmöglichen Stellen auf, treibt seine Scherze und ist der Gegenpol zum Erzähler Ismael (Killian Ponert).

Ein Abend der faszinierenden Stimmungen, der sicher nicht nur Melvilles Geschichte erzählt, sondern auch Ideen von Wilson enthält. Auch ein Abend, der die Zuschauer nicht kalt lässt und der zu Recht mit Standing Ovation bejubelt wurde.

Last but not least: zum hervorragenden Ensemble gehören ferner Heiko Raulin, Jürgen Sarkiss, Yaroslav Ros, Moritz Klaus, Roman Wieland, Jonas Friedrich Leonhardi, Belendjwa Peter und Michael Fünfschilling.