Warten auf die Eröffnungsgala
„Eine Eröffnungsgala zur falschen Zeit am falschen Ort,“ lautet der Untertitel des Stücks, wobei nicht ganz klar wird, ob wir uns (im Geiste) auf der Baustelle der Theater-Sanierung am Offenbachplatz im Zentrum der Stadt oder - wie seit mehr als zwölf Jahren - ganz real in der Interims-Spielstätte in Köln-Mülheim befinden.
Die eindrucksvolle Bühne bietet beides: Eine opulente, glitzernd-rosa Plastikschleife über der Bühne suggeriert eine Eröffnungsgala wo auch immer, ansonsten verweisen Schutt und Schrott, ein Dixi-Klo neben einem riesigen Baukran mit der Aufschrift GRMPF GmbH und nicht zuletzt eine gewaltige Müllhalde auf eine Dauerbaustelle, zweifellos am Offenbachplatz, inzwischen resignierend zum „Geschlossenbachplatz“ umetikettiert.
In den Lücken des Gerölls haben sich zehn Live-Musiker mit Pauken und Trompeten platziert, um begleitend und kommentierend - manchmal mit übertriebener Verve - eine „musikalische Baustelle“ zu präsentieren.
Zum Start erscheint ein „Philosophisches Dreigestirn“, behelmt mit Straußenfedern und rosa Zöpfen, um uns glauben zu machen, dass das „Nicht-Fertige“ eine Metapher für das „Menschsein“ an sich sei. Im Folgenden geht’s dann aber so gar nicht um metaphysische Vertiefung, sondern schlicht um eine Faktensammlung zum Bauskandal der Theater- und Opernsanierung, die sich inzwischen ins dreizehnte Jahr verschleppt und deren Kosten sich inzwischen auf 1,2 Milliarden fast verfünffacht haben. Eine erschreckende Bilanz, die jedoch dem Publikum weithin durch Medienberichte bekannt sein dürfte und im theatralisch wenig aufgearbeiteten Text von Mike Müller oberflächlich daherkommt. Applaus gibt es für temperamentvolle Tanzeinlagen der beiden Neuzugänge im Ensemble Kelvin Kilonzo und David Rothe in schicken weißen Abendanzügen.
Drive bekommt die Inszenierung durch eingeschobene Sketsche und satirische Zwischenspiele: wenn etwa Anja Lais als Fremdenführerin mit Schutzhelm auf der imaginierten alten Theaterbühne voll theatralischer Rührung aufzeigt, wo sie als Ophelia ertrunken, als Maria Stuart verblichen und als Lady Macbeth verblutet ist. Und dann lakonisch zusammenfasst: „Ich bin all die Jahre so viele Tode gestorben, dass ich auf ein glückliches Leben zurückschauen kann“. In einer anderen liebevoll verkitschten Romanze gibt sie anrührend die Frau vom Trockenbau, die auf der Baustelle in dem Mann von der Elektroinstallation die Liebe ihres Lebens fand und jetzt auf eine gemeinsame „Lebensstellung“ am Bau hofft.
Und auch die Herren haben ihre Auftritte: etwa der Neuzugang Henri Mertens, der in seiner Solo-Nummer im hochgeschlitzten Pailetten-Fummel als Diva ein bisschen Mozarts Höllenrache mit Melly Cyrus‘ Wrecking Ball mischt.
Interessant sind die Video-Einspielungen, die über vertrackte Einzelheiten berichten, dabei auch mal einen Slapstick bieten um einen Flügel, der größer ist als der vorgesehene Raum - da bleibt zu hoffen, dass es nicht der Realität entspricht. Sollte allerdings alles andere tatsächlich den Status-Quo der Baustelle wiedergeben, bleibt zu fürchten, was der Interems-Intendant Rafael Sanchez als Option durchaus mitdenkt, dass das Projekt Offenbachplatz „niemals“ fertig wird. Da bleibt einem nur ein GRMPF zu murmeln, wie die Comicfiguren, wenn ihnen vor Ärger die Worte fehlen.
„Eine Baustelle zwischen Hochkultur und Rohbau, die die Abgründe der speditiven Bauabwicklung ausleuchtet“, verspricht der Programmbogen. Das allerdings geschieht nicht, ausgeleuchtet, vertieft wird das Geschehen nicht. Der detailverliebte erste Teil zieht sich hin, gestrafft wäre die Pause überflüssig und das Ganze stimmiger.
Auch der ausführliche Beitrag, dass die Schweizer beim Gotthardtunnel alles sehr viel besser machten (Sanchez ist Schweizer), ist nicht wirklich zielführend.