Übrigens …

Tabak oder warum sie mit dem Frauen morden aufhören sollten im Schauspiel Essen

„Jemand hat sie angezündet. Wahrscheinlich ist sie tot.“

Die Produktion Tabak, die als Uraufführung in Essen zur Aufführung kam, beruht auf einem Femizid, der sich in einem Tabakladen in Wien ereignete. 2021 wurde eine Frau dort von ihrem Expartner grausamst geschlagen und dann angezündet, was letztlich zu ihrem Tod führte. Rachel J. Müller nahm die Grausamkeit dieses Falles und die Art, wie er in den Medien besprochen wurde, sehr mit. Die Regisseurin Lea Oltmanns fesselten die verschiedenen Blickwinkel auf das Patriachat. Ebenso die verschiedenen Beziehungen der Frauen, die in dem Haus leben, in dessen Untergeschoss sich die Tragödie ereignet hat.

Eigentlich sollte „Tabak“ in der Casa stattfinden, die jedoch geschlossen wurde. So erleben wir die Produktion im Grillo Theater ganz oben unter dem Dach in einem relativ kleinen Raum. Was aber gut zum intimen Charakter der Inszenierung passt. Man sitzt nah an der Bühne, auf der mehrere Ebenen zu sehen sind. Ein Gazeschleier trennt zeitweilig Bühne und Publikum. Ein Lichtstrahl trennt die Wohnungen zweier Frauen (Sümeyra Yilmaz, Ines Krug), die sich im Laufe des Abends näher kennenlernen. Ein Allround-Geräusch verbindet alles, was sich im Haus, das dünne Wände hat, abspielt. Drei weitere Frauen (Sabine Osthoff, Charlie Wyrsch, Dana Zaidan) gehören dazu, zeigen jedoch zu Beginn im Hintergrund ihre eigenen Bewegungsabläufe. Immer mehr aber rücken die Frauen zusammen, kommentieren, was sich im Tabakladen unten abgespielt hat und was sich auf der Straße davor tut. Alle kannten die Tote und auch den Täter. Einmal sitzen sie nebeneinander an der Bühnenrampe, dann erscheinen sie – nun in wallenden Gewändern – wie ein antiker Chor und wollen alles zerstören. Womit sie dann im wahrsten Sinne des Wortes auch beginnen, indem sie die Bühne auseinandernehmen, wobei sie „I can be your hero“ singen.

Ein nachdenklich stimmender Abend über Gewalttaten an Frauen und die Notwendigkeit, das Schweigen zu brechen. Natürlich denkt man da an den überall publik gemachten Schauprozess in Frankreich, in dem das Opfer Gisèle Pelicot den Mut hatte, an die Öffentlichkeit zu gehen, um ein Umdenken in der Gesellschaft zu erreichen. Ihr Mann hatte sie jahrelang betäubt und von fremden Männern vergewaltigen lassen. Nicht nur in Frankreich gab es viel Zuspruch und Solidarität für diese mutige Frau. Zu hoffen ist, dass allgemein umgedacht wird und dass solche sexualisierten Verbrechen von Männern strengstens geächtet werden.

Ein Lob für die intensive Inszenierung und für das hervorragende Ensemble, Langer, lebhafter Applaus in der zweiten Vorstellung.