Übrigens …

AchtsamMorden im Münster, Wolfgang-Borchert-Theater

Cabrio auf offener Bühne

Wie ein Mantra wabert der Begriff Awareness" oder "Achtsamkeit" mittlerweile durch viele Bereiche unseres Lebens. Bewusst sollen wir handeln im Umgang mit anderen Menschen, respektvoll und wertschätzend. Gelingt das nicht ganz - aus Versehen oder absichtlich - gibt es Awareness-Teams, die uns auf den richtigen Weg bringen. Was aber ist, wenn das zu gut gelingt, wenn ein Awareness-Guru nahelegt, dass ein Mord genau die wertschätzende Handlung ist, die aus einer Situation heraus das Richtige ist? Das muss jedenfalls Anwalt Björn Diemel nach einem Achtsamkeits-Seminar folgern und setzt den Mord an seinem Mandanten folgerichtig und mit größter Selbstverständlichkeit um. Gut, der war Teil des organisierten Verbrechens, aber das absolute Gefühl der Unschuld durch Verinnerlichung der Achtsamkeitsprinzipien durch Diemel macht zuerst sprachlos und löst dann reichlich Heiterkeit aus.

Der Bedarf daran scheint groß zu sein, denn Autor Karsten Dusse hat bereits fünf Bücher der Reihe Achtsam morden vollendet und Bernd Schmidt aus dem ersten eine Bühnenfassung destilliert. Und am Schluss führt das Vorgehen auch noch zum Happy-End. Statt eines Edel-Bordells entsteht eine Kindertagesstätte, denn der Rechtsanwalt gestaltet die Mafia-Geschäfte um. Einige Erziehungsberechtigte werden in punkto Kinderbetreuung massiver Probleme entbunden. Der Weg des achtsamen Mordens ist ganz offensichtlich ein vielversprechender.

Gregor Eckert als achtsamer Racheengel und Ivana Langmajer und Florian Bender in unendlich vielen kleinen Rollen mischen das Geschehen richtig auf, sorgen für Turbulenzen im eh' schon wilden Spiel. Besonders Bender als Awareness-Prediger sorgt mit seinen Theorien für viel Spaß. Er überzeugt aber auch durch blitzschnelle Rollenwechsel in Turbo-Speed, verleiht jeder Figur viel Individualität und kreiert dadurch viele Heiterkeitsspitzen. Das gibt dem Abend enorm Drive.

Regisseurin Tanja Weidner agiert in einem ungewöhnlichen Bühnenbild: Ein petrolfarbenes Peugeot-Cabriolet steht auf der Bühne, die ansonsten leer ist. Das ist auf den ersten Blick einfach nur chic. Und man möchte da gleich für eine Spritztour einsteigen. Weidner verleiht dem Auto eine lässige Selbstverständlichkeit - so als könne nichts anderes Mittelpunkt der Inszenierung sein. Ganz locker fahren diverse Personen damit, sind Beifahrer oder werden als toter Kollateralschaden transportiert. So wird das Vehikel zum Sinnbild von Awareness, deren Folgen nicht immer erwartungsgemäß ausfallen. Jedes Verschieben, jede Neubesetzung der Sitze führt zu einem anderen Ergebnis. Das machen Tanja Weidner und ihr Team deutlich.

Achtsam morden ist ein Stück des leisen Humors. Große Lachsalven bleiben deshalb auch aus. Das ist wohltuend in einer Zeit, in der nur Grelles, Schockierendes im Mittelpunkt steht und Menschen erreicht. Hier genügen ein paar Bemerkungen oder Gesten, verständnisvolles Lächeln zu erwecken.

Mag das Cabrio sich auch ein paar Runden zu viel auf der Bühne drehen: Achtsam morden ist ist ein Stück zum Genießen - vor oder nach der Silvester-Böllerei.