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Geld ist Klasse - Ungleichheit und Überreichtum im Düsseldorf, Forum Freies Theater

Über Geld spricht man doch!

Auf der schwarzen, sonst leeren Bühne ist ein Strahler auf zwei Barhocker gerichtet, die später auch mal mit ihrer Drehmechanik zur Veranschaulichung steigenden und fallenden Kapitals herhalten müssen. Vorersteinmal nehmen der Theatermacher Volker Lösch - in diesem Stück Mitautor, Regisseur und Schauspieler - und seine Gesprächspartnerin, die Großerbin Marlene Engelhorn darauf Platz und berichten von ihrer Kindheit. Lösch verlebte sie in armen Verhältnissen in Uruguay, Engelhorn - Enkelin des BASF-Gründers - in der Welt der Überreichen in Wien.

Lange hält die vertraute Gesprächsatmosphäre nicht an: zu heftiger Beschallung wird das Stroboskop angeworfen und Volker Lösch muss seine Stichworte: Reichtum, Vermögen, Gerechtigkeit, illegitime Macht dagegenan ins Mikro brüllen. „Reden wir übers Geld“, schließt er.

Lösch, der in seinen über hundert Inszenierungen immer wieder soziopolitische Missstände thematisiert, und dazu außertheatrale Wirklichkeit - meist als Laienchöre - auf die Bühne holt, hat für dieses Thema eine Überreiche, die alles richtig macht, auf die Bühne geholt. Marlene Engelhorn hat 25 Millionen ihres Erbes fürs Gemeinwohl gegeben und kämpft jetzt - durchaus selbstkritisch - gegen unregulierten Reichtum.

Mit einem eindrucksvollen Bild veranschaulichen die beiden die Ungleichheit von Arm und Reich. Von einer fast endlosen Schnur kommt auf die Normalbesitzer nur eine Armbreite, dann folgen die Millionäre, die Multimillionäre. Irgendwann geben die beiden auf. Um bis zu dem einen Prozent der Superreichen zu gelangen, brauchten sie 2 000 220 Meter Schnur, um das Vermögen von Elon Musk zu veranschaulichen, braucht’s eine Schnur, die mehr als zehnmal zum Mond reicht. Da hilft dann auch die Demonstration durch die Schnur nicht mehr zur Vorstellung.

Um Marlene Engelhorn zu entlasten, die ihre Rolle übrigens eindrucksvoll gibt, tritt im Wechsel Marlene Reiter als perfektes Double auf. Lösch, der bis dahin sich selbst vorstellte, schlüpft kurzerhand in die Rolle des Finanzberaters der Engelhorn-Familie. Seine Tricks und Vorschläge zur Bereicherung der Superreichen werden von Marlene wütend abgelehnt, demonstrieren aber, was alles möglich wäre. Schnell wechselt Reiter in die Rolle der personifizierten Bundesrepublik, die von den Reichen niedergetrampelt wird, um wenig später im dunkelblauen Business-Kostüm als Milliardärin Susanne Klatten aus dem Saal auf die Bühne zu stürzen. Dort trifft sie auf Lösch, jetzt herrlich verwandelt in den Ex-Finanzminister und FDP-Vorsitzenden Christian Lindner. Der zerstört ostentativ einen angeblichen Van-Gogh, um die Verfügungsgewalt über Privateigentum zu demonstrieren. Das völlig unnötige ständige Hin-und-her-Gerenne der beiden lenkt allerdings reichlich vom Inhalt des Streitgespräches ab.

Dann schaltet sich Marlene Engelhorn aus Reihe 6 im Saal wieder ein, im Wechsel mit der Bühne prasseln jede Menge Zahlen und Statistiken auf uns ein. Es geht um strukturelle Macht, die die Demokratie zerstört. „Wir können nicht Demokratie. Wir wollen zwar, aber leben sie nicht.“ In ermüdenden Monologen geht es um Gewaltpotential, Verteilungsgerechtigkeit und Neiddebatten sowie immer wieder um Vermögens- und Erbschaftssteuer der Überreichen. „Wir sind so am Arsch!“ ruft Lösch schließlich ins Publikum.

Zum Schluss stehen die drei am Bühnenrand, jetzt fast privat mit ihren Forderungen ans Publikum, an die Überreichen und die Politik. Eine Menge Verbote sind dabei.

Knappe zwei Stunden engagiertes Theater, das daran erinnert, dass der Agitprop-Regisseur Volker Lösch ursprünglich Schauspieler war. Aber dennoch: nach der Halbzeit war alles gesagt. Das Ganze war - trotz einiger eindrucksvoller Bilder und theatraler Szenen - letztendlich ein allzulanger szenischer Appell.

Das Stück hatte am 20. September 2024 im FFT Düsseldorf Uraufführung, wurde dann in Stuttgart und Wien gezeigt und wird im Laufe des Jahres zwischen Dresden und Bern auf vielen Bühnen zu sehen sein.

Ein Hinweis: In Zusammenarbeit von Volker Lösch mit Lothar Kittstein kamen Volksfeind for Future 2020 in Düsseldorf (theater:pur-Rezension siehe hier) und 216 Millionen 2024 in Bonn (theater:pur-Rezension siehe hier) auf die Bühne.