Übrigens …

Sturmhöhe im Bochum, Schauspielhaus

Geschrei, Prügelei und wilde Beschimpfungen - dann das große Sterben

Mit knapp vier Stunden viel zu lang und zudem oft auch deutlich zu laut geriet die Premiere von Sturmhöhe nach dem gleichnamigen Roman der Autorin Emily Brontë jetzt im Schauspielhaus Bochum. Regisseurin Claudia Bossard entschied sich, Brontës einzigen Roman mit acht Schauspielerinnen und Schauspielern auf die Bühne im nicht ausverkauften Großen Haus zu bringen. Die riesige Bühne ist bis auf einen Videobildschirm links im Vordergrund und einen rechteckigen, silbrigen Kasten als Gutshaus von „Wuthering Heights“ im Hintergrund sowie ein Sofa leer. 

Gleich zu Beginn tanzen die jeweils vier männlichen und weiblichen Darsteller wild und ausgelassen zum Erfolgssong „Wuthering Heights“ der Sängerin Kate Bush. Der minutenlange Tanz wirkt wie ein Fluchtversuch von diesem Stück Land, das - laut Roman - kalt, nass, düster und fernab von angenehmen Zerstreuungen ist. Davon sieht man auf der Bühne nichts. Sehr spät erst, kurz vor der Pause, sieht man eine Art Wohnzimmer, das mit unglaublichem Gerümpel vollgestellt ist und in dem die Hauptfigur Heathcliff (sehr gut: Victor IJdens) mehrfach von seinem trunksüchtigen und gewalttätigen Bruder Hindley (Alexander Wertmann) brutal zusammengeschlagen wird. 

Catherine (Nina Steils), dessen Schwester, und Heathcliff, der als Findelkind nach Wuthering Heights kam, sind Freunde und wachsen zusammen auf in dieser düster-gewaltvollen Umgebung auf. Im Roman sind sie ein Liebespaar, in der Bühnenfassung ist davon kaum etwas sicht- oder fühlbar. Heathcliff muss im Stall schlafen, die Drecksarbeit auf dem Hof erledigen und eine Menge an Demütigungen und Schlägen einstecken. Er erträgt das scheinbar alles, auch, dass Catherine sich zu dem einen Tagesritt entfernt auf einem anderen Gut lebenden und reichen Edgar Linton (Marius Huth) hingezogen fühlt. 

Nach unendlichen mindestens zwei Stunden, in denen Geschrei, Prügelei und wilde Beschimpfungen sich abwechseln, sucht Heathcliff dann das Weite, nur, um kurze Minuten später in einen blauen und deutlich zu groß geratenen Anzug wieder aufzutauchen, und sich anschickt, Rache zu nehmen an denen, die ihn gequält, verraten und gedemütigt haben. In wo auch immer verbrachten drei Jahren in der Fremde hat er es offensichtlich zu erheblichem Wohlstand gebracht.

Nach der Pause geht auf der Bühne das große Sterben los. Catherine, die inzwischen die Frau von Edgar ist, stirbt bei der Geburt des gemeinsamen Mädchens Cathy. Heathcliff heiratet danach Edgars Schwester Isabelle, die den gemeinsamen Sohn Linton zur Welt bringt und wenige Jahre später in der Nähe von London stirbt. Daraufhin holt Heathcliff Cathy und Linton auf das Gut Wuthering Heights, mit dem Plan, beide zu verheiraten, um so seinen Reichtum zu vergrößern.

Doch all dies bringt ihm kein echtes Glück und keine Zufriedenheit. Edgar stirbt, kurz darauf auch Heathcliffs Sohn Linton und ganz am Ende „endlich“ auch Heathcliff selbst in einem Anfall von Ekstase. Das alles wird im Roman und auf der Bochumer Bühne eingerahmt von dem jungen Lockwood, der der Heathcliff das Anwesen von Edgar abgekauft hat und der zu Besuch ist. Ihm erzählt die hervorragende Danai Chatzipetrou als Wirtschafterin Nelly Dean von dem viele Jahre währenden Familien- und Liebesdrama zwischen Catherine und Heathcliff. Auch Konstantin Bühler als düster-moralisierender Knecht oder Diener auf dem Hochlandmoor ist hervorragend besetzt. Beim Zählen der im Verlauf der rund vierstündigen Inszenierung aufgerissenen Bierdosen hat der Rezensent irgendwann zu zählen aufgehört. Der Applaus am Schluss war nicht so, wie sonst in Bochum üblich. Das kann auch daran gelegen haben, dass nicht wenige Zuschauer entweder schon in der ersten Hälfte den Saal verließen, oder aber in der Pause das Theater bereits verlassen hatten.