Übrigens …

Ein Sommernachtstraum im Theater Münster

How Deep is Your Love?

"How Deep is Your Love?" fragten einst die Bee Gees - eine Frage nach der Unveränderlichkeit von Gefühlen, die als sichere Grundlage des Lebens angenommen kann. Auf dieser Grundlage baut alles auf. Sie ist ein Bollwerk gegen jedes Ungemach. Doch was passiert, wenn sich plötzlich die oder der Geliebte sich abwendet, geradezu Abscheu zeigt? Wenn der Teppich, auf dem man gerade noch fest stand, unter den Füßen weggerissen wird, das leuchtet William Shakespeare im seinem Sommernachtstraum aus und erfindet dazu eine faszinierende Versuchsanordnung. Elfenkönig Oberon will sich an Gattin Titania rächen und wirft einen Liebeszauber über sie. Sie verliebt sich in das erste Wesen, das sie sieht - einen Mensch mit Eselskopf. Doch von dem Zauber bekommen auch zwei Paare etwas ab, die die Hochzeit des Fürsten von Athen nutzen wollen, um aus der Stadt zu fliehen. Hin- und hergerissen irren sie durch einen Wald, amüsiert beobachtet von Oberon, den Ansgar Sauren mit Schalk im Nacken gibt, während er den Athener Herzog mit einer gehörigen Portion blasiertem adeligen Ennui ausstattet.

Nicole Zielke baut eine Garderobe in einem Theater auf die Bühne, die Teil des Konzepts des Regieteams ist. Sebastian Schug lässt die Grenzen verschwimmen: Was ist Realität, was sind echte Emotionen und was ist Theater? Dabei setzt er mehr auf knallige Situationskomik, denn auf leise Zwischentöne. Und das zündet durchaus, getragen von Schugs eigener Übersetzung, die ebenfalls vorwärtsdrängend und erfrischend daher kommt. Nur gegen Ende ist dann etwas "die Luft raus": Einige wenige Längen brechen sich Bahn und drosseln den Schwung der Inszenierung.

Energiezentrum des Abends aber ist das Team auf der Bühne, das viel aus sich heraus holt und emotionale Brücken baut von der Bühne ins Publikum. Umgeben von einer lautmalerisch Abneigung intonierenden Elfenschar ist die Titania Katharina Brenners genauso würdige Herrscherin wie als des Herzogs künftige Gemahlin. Das schützt sie aber nicht vor Oberons Spott. Pascal Riedels leicht bekleideter Puck wirkt oft selbst überrascht von den Auswirkungen des Zaubers, an dem er beteiligt ist. Daryna Mavlenkos Egeus geht - auch akustisch - an diesem Abend etwas unter. Was sicher auch daran liegt, dass die Regie ihr keine markante Stellung zuweist.

Herzstück aber sind die jungen ungestüm Liebenden. Julius Janosch Schultes Demetrius ist zu Beginn sehr schüchtern und zurückhaltend, dreht dann aber wunderbar auf. Artur Spannagel ist als Lysander sehr präsent, weiß scheinbar genau, was er will. Dieses Selbstbewusstsein blättert dann nach und nach ab - es macht Freude, dabei zuzusehen.

Auch die Hermia Nadine Quittners drängt es zur Flucht mit ihrem Geliebten. Doch dann arbeitet es in ihrem Gehirn. Wer war das denn noch gleich? Ihr Körper ist dann ein einziges großes Fragezeichen. Wie eine Urgewalt stürmt Katharina Rehn auf die Bühne. Sie will alles, vor allem die große Liebe. Das macht sie mit jeder Faser deutlich und kommt so wahrscheinlich am wenigsten demoliert durch das Geschehen. Dass alle auch noch eine Handwerkertruppe spielen, die ein Theaterstück übt, ist eine schöne Idee, die Sebastian Schugs Regiearbeit weiteren Zusammenhalt gibt.

Alle, die bereit sind, einige Längen in Kauf zu nehmen, können mit diesem Sommernachtstraum einen Abend erleben, der durch direkten Witz punkten kann. Regisseur Sebastian Schug entwickelt ein in sich stimmiges Regiekonzept.