Übrigens …

Fettes Schwein im Landestheater Castrop-Rauxel

Die dicke Freundin

Tom hat ein Problem. Die Frau, die er im Stehimbiss kennengelernt hat, ist witzig und charmant, wirkt auf entwaffnende Weise ehrlich - und steht zu ihren Pfunden. Tom ist fasziniert von Helen, aber wie reagieren seine Kollegen und Bekannten auf die dicke Freundin? Schon das erste Gerücht über die entstehende Beziehung lässt die gertenschlanke Jeannie aus der Buchhaltung heftig lästern. Kumpel Carter wiederum hält die Frau, die er abends mit Tom im Restaurant sieht, für eine Geschäftspartnerin aus Chicago: Die neue Flamme kann das doch unmöglich sein!

Der amerikanische Theater- und Drehbuchautor Neil LaBute nimmt sich im Stück Fettes Schwein die Intoleranz einer auf Oberflächlichkeit und Schlankheit fixierten Gesellschaft gegenüber Menschen vor, die nicht diesen Klischeevorstellungen entsprechen. Dabei zeigt er nicht nur die Betroffene als Opfer, sondern auch den Mann, der sie eigentlich liebt und sich zwar verbal zu ihr bekennt, aber Begegnungen in der Öffentlichkeit verschämt vermeidet. Eine Firmenfeier am Strand wird zum Kulminationspunkt dieses Konflikts.

Ralf Ebeling, Intendant des Westfälischen Landestheaters, macht als Regisseur aus dem Text, den man sich gut als leicht sentimentalen 90-Minüter fürs Fernsehen vorstellen könnte, ein zweigeteiltes Drama. In reduzierter Ausstattung lässt er sein Darstellerquartett die Extreme der Gefühle weit ausspielen: Die Auseinandersetzungen zwischen Tom und Kollegin Jeannie geraten zu lauten Rededuellen, weil beide in einer ungeklärten Beziehung zueinander verharren - eines der Handlungselemente übrigens, an denen die Dramaturgie des Stückes merklich knirscht. Wenn Tom hingegen mit Helen zusammen ist, entwickelt sich ein Liebesgeflüster, das als extremes Gegenbild zu den aufbrechenden Konflikten dient.

Dass Ebeling und Ausstatter Jeremias Vondrlik allerdings keine wirklich dicke Protagonistin auf die Bühne bringen, nimmt der Produktion etwas von ihrer Glaubwürdigkeit. Lesley-Ann Eisenhardt trägt den Schriftzug „fett“ auf dem etwas formlosen Hängekleid und trägt trampelige Stiefel - das wars. Was nichts an ihrer wunderbaren Darstellung ändert, denn die Koketterie dieser Helen, ihre Selbstironie und Verletzlichkeit sind so stimmig gestaltet, dass man diesem Tom eigentlich nur gratulieren könnte. Den spielt Jan-Hendrik Kroll überzeugend als überforderten Mann auf der Suche nach einer gelingenden Beziehung. Arikia Orbán ist perfekt als zierliche Zicke, die ihr persönliches Unglück nicht verwinden kann. Und Tobias Schwieger bekommt als lässiges Lästermaul Carter sogar noch einen kleinen Monolog, der von seiner Kindheit mit einer dicken Mutter kündet und der Figur ein wenig Tiefe verleihen soll. Beide Seiten dieses Typs nimmt man ihm gern ab.