Übrigens …

Eisenfaust - Ein Stück deutsche Freiheit nach Goethe im Köln, Schauspiel

Was ist Freiheit?

Schon vor dem eigentlichen Spiel auf der Bühne hört man lautes Krachen, Bauern mit blutverschmierten Gesichtern und gelben Warnwesten treten vor den Vorhang und proben den Aufstand. Der Kaiser, ein gebrechlicher alter Mann mit Rollator, ruft ihnen zu, sich doch an Götz zu wenden.

Der Vorhang geht hoch. Wir sehen eine Bühne, die chaotischer nicht sein könnte. Als Hintergrundprospekt dient ein Teil des Gemäldes „Triumph des Todes“ von Bruegel. In der Mitte der Bühne steht eine große Statue mit Totenkopf, in der Hand eine Bierdose. Über der Bühne hängt eine Riesenpuppe eines nackten Mannes, der versucht, sein Glied zu lecken. Rechts stellen einfache Holzwände die Burg des Götz von Berlichingen dar, links sehen wir die ebenso schlichte Residenz des Bischofs von Bamberg. Ab und an fahren zwei Autos mit Gehupe und mit Musik im Kreis herum. Wozu das Spektakel?

Goethes Götz von Berlichingen entstand 1771. Als Frühwerk des Sturm und Drang verwebt es historische und biographische Ereignisse aus mehreren Jahrzehnten miteinander. Der Ritter Götz von Berlichingen als Freiheitskämpfer setzt sich für die Rechte des Individuums ein. So liegt er auch in Fehde mit dem Bischof von Bamberg, der die Gesetze vertritt, die die Freiheit von Gleichen betreffen. Die Bauern fordern, die eklatante materielle Ungleichheit abzuschaffen. Götz als freier Ritter kämpfte an ihrer Spitze in den Bauernkriegen.

Regisseur Jan Bonny und sein Co-Autor Jan Eichberg überschrieben Goethes Drama, dessen zentrales Thema - die unterschiedliche Sicht dessen, was Freiheit ist - immer aktuell sein wird. Denken wir nur an sehr verschiedene Aussagen dazu in der aktuellen Politik, seien es der Krieg in der Ukraine oder die jüngsten Entwicklungen in den USA seit der Wahl von Trump.

Die Kölner Inszenierung greift jedoch nur einzelne Aspekte zum Freiheitsbegriff auf und besteht ansonsten aus vielen Einzelszenen und Gags, die oft keinen Sinn machen. Warum wird der im Kreis fahrende Polo als „Frauen-Auto“ beschimpft? Welchen Sinn macht es, wenn Götz aus seinen zwei Kanonen Konfetti schießt bzw. wenn die große Puppe über der Bühne Konfetti aus dem Poloch regnen lässt? Warum gibt es keinen Augenblick ohne zischend geöffnete Bierdosen? Götz von Berlichingen wird famos gespielt von Benjamin Höppner, ein Lichtblick an diesem Abend, den man zunehmend gelangweilter betrachtet, mag auch noch so viel „action“ gezeigt werden… oder gerade deshalb. Höppner überzeugt als rauflustiger Macho, der jedoch am Ende scheitert, mal wieder sturzbetrunken. Sein Sohn Georg (David Rothe) muckt gegen des Vaters Ideen auf und versucht daher, ihn davon abzuhalten, die rebellischen Bauern anzuführen. Vergebens. Rolf Mautz spielt Kaiser Maximilian. Im Rollator kurvt er als gebrechlicher, alter Mann über die Bühne und wiederholt immer wieder: „Die Türken bedrohen mein Reich.“ Johannes Benecke spielt sowohl den kämpferischen Bischof von Bamberg wie auch einen der aufständischen Bauern. Als solcher reichlich mit Theaterblut markiert.

Ein Abend der vielen mehr oder wenige kurzen Szenen, die auf der chaotischen Bühne teilweise verloren gehen. Ab und an setzt sich einer der Schauspieler vor einen Fernseher und betrachtet Szenen aus u.a. „Der Untergang“ oder „Avengers: Endgame“. Götz wird zunehmend betrunkener und stirbt letztlich am Boden liegend mit den Worten „Freiheit, Freiheit“ auf den Lippen.

Dem durchweg guten Ensemble - ihm gehören ferner an: Magdalena Laubisch, Lisa-Katrina Mayer, Kei Muramoto und Thomas Müller - ist nicht anzulasten, dass man sich nach gut einer Stunde nach einem Ende des Spektakels sehnt. Freundlicher Applaus in der Premiere.