Übrigens …

WASIHRWOLLT im Düsseldorf, Forum Freies Theater

Selten so gelacht

Der Spielbereich ist mit einer transparenten Wand mit senkrechten Leuchtröhren und vier Türen von der großen Bühne abgeteilt. An der Rückwand sind unscharf sechs Figuren – alle in Schwarz - erkennbar, das Personal, das Manuel Moser braucht für die neun Rollen, auf die er das Shakespeare’sche Spieleraufgebot zusammengekürzt hat.

Musik wird eingespielt. Dann ein Donnerschlag und gebeugt, verschmitzt lächelnd erscheint der Narr. So gar nicht im Shakespeare’schen Sprachstil kündigt er eine Stunde „Wohlfühl-Show“ an, „eine romantische Komödie. Igitt!“ Als er dann meint, dass es danach wieder raus ins „Massensterben“ gehe, bricht das junge Publikum in herzhaftes Gelächter aus. Dieser Typ ist einfach zu komisch (bravourös: Klaus Schweizer).

Nach einer kurzen Freundschaftsbekundung zwischenSebastian, einem Schiffbrüchigen und seinem Retter Antonio taucht unter Unwettersound Viola auf und wir landen in der Shakespeare’schen Handlung. Ganz im Sinne des siebzehnten Jahrhunderts, als alle Rollen von Männern gespielt wurden, ist es auch hier ein Mann, der sich dem Narren als Viola vorstellt, als Überlebende eines Schiffbruchs, bei dem sie ihren Zwillingsbruder Sebastian verlor. Etwas irritierend dabei ist allerdings, dass Viola auch von Sefa Küskü gespielt wird. Wie im Original verkleidet sie/er sich als Mann, um als Diener Cesario in den Dienst des Herzogs Orsino zu treten. Also: ein Mann spielt eine Frau, die sich als Mann verkleidet. Außerdem taucht dieser Akteur dann auch noch als Zwillingsbruder der Frau/des Mannes auf. Da braucht das Publikum dann doch eine Hilfe: als Sebastian trägt Sefa Küskü  eine weiße Kappe und Jacke, die einzigen Farbtupfer im Schwarz der Ausstattung. Hinreißend, wie es Küskü gelingt, den echten Mann Sebastian, den unechten Mann Cesario und schließlich auch noch das schüchterne Mädchen Viola auf die Bühne zu bringen.

Der Handlungsablauf ist zunächst wie im Original: Herzog Orsino wirbt um die schöne, reiche Gräfin Olivia (grandios: Janine D’Aragona), verliebt sich dann aber unversehens in den charmanten Cesario/Viola, auf den auch die Gräfin ein Auge geworfen hat, um dann aber mühelos zum Zwilling Sebastian überzugehen.

Eine ganz eigene Solorolle hat Manuel Moser dem Onkel Toby zugeschrieben, die Maximilian von Ulardt mit komödiantischer Bravour und urkomischen akrobatischen Einlagen zur Begeisterung des Publikums abliefert.

Sprachlich gelingt es Manuel Moser überzeugend, Originaltext und Heutiges ineinanderzubauen. So hält Viola es kess für „sexistisch“, wenn der Narr sie mit Fräulein anredet und berichtet, dass sie einen „Workshop“ über „positive Selbstbekräftigung“ absolviert habe. Original Shakespeare ist es hingegen, wenn es bei Hofe heißt: „Ja, einige werden hochgeboren, einige erwerben Hoheit und einigen wird sie zugeworfen.“

Zum Schluss verlässt Manuel Moser in seiner Modernisierung das Original: Nachdem alle Verwechslungen und Verstellungen aufgeklärt sind, kommt es nicht wie im Original zum Happy End, in dem Sebastian zu Olivia und Viola zu Orsino finden, vielmehr verweigern Viola und Sebastian jede Bindung. Auf Orsinos Heiratsantrag reagiert Viola amüsiert: „Ich finde das Konzept Ehe recht problematisch.“ Und verschwindet. Sebastian eilt dem geflohenen Antonio hinterher, dem, wie er Olivia gesteht, sein Herz gehört.So bleibt Olivia nur resignierend zu erklären: „Macht doch alle was ihr wollt“!

Wenn Shakespeare in seiner Verwechslungskomödie schon 1601 die Geschlechterzuschreibung kunst- und lustvoll aufbricht und unverhohlen die Frage nach Geschlechtsidentität und Rollenzuweisungen stellt, so bringt die Kölner Inszenierung noch eine zusätzliche Öffnung.Das Publikum dankte mit begeistertem Jubel.