Der Rest ist Wasser
Die Bühne eine einzige Wasserlandschaft: An der Rückwand fast über die ganze Breite ein riesiges Aquarium auf hohen Stelzen, davor am Boden ein opulenter Pool mit vier Schwimmbahnen, am rechten Bühnenrand ein aufrecht stehender Wassertank, eine von oben zugängliche Wasserkabine. In dieser Wasserwelt wird sich alles tummeln, was dort hinein gehört: Nixen, Matrosinnen, Piratinnen, Ungeheuer, Wasserakrobetinnen.
Doch vorerst bleibt es trocken. Auf zwei Videowänden sehen wir vor dem Theater einen Hubschrauber landen, dem Annina Machaz als Captain Hood entsteigt, um unmittelbar darauf mit einem lautstarken „Schiff ahoi“ in den Saal zu stürmen. Obenherum als Piratin mit Hut und Schwert ausgestattet, unten herum nackt, wie es (mindestens) bei Florentina Holzingers Performances nun mal ist. Machaz wird uns temperamentvoll als eine Art Showmasterin durch drei Stunden drastischer Revue mit Akrobatik, Tanz und jeder Menge Text- und Lied-Persiflagen führen.
Wie im Titel angekündigt, beginnt alles mit einer bösen Parodie auf das Talent-Casting Got Talent. Die nackte Frauen-Jury nimmt Platz und alles erscheint gleichzeitig groß auf der Videowand: Die Performerin Fibi Eyewalker schluckt Schwerter, auch das eines Schwert-Fisches und präsentiert uns dann mit Hilfe einer verschluckten Sonde ihre eigene Magen-Innenwelt groß auf den Projektionswänden. Xana Novais nutzt einen Angelhaken zum Backen-Piercing. Dann geht’s unter Wasser: Netti Nüganen taucht in den Kanister ein, wird darin an Hals, Händen und Füßen gefesselt. Aus dem Publikum wird eine Haarnadel erbeten, die tatsächlich von hinten durchgereicht wird. Hände und Füße entfesselt die Performerin selbst, beim Hals ist die Panne eingeplant: Große Aufregung! Und tatsächlich kommen da echte Männer in voller Arbeitsmontur zur Hilfe auf die Bühne und befreien das scheinbare Opfer. Eine Szene, die bei der Uraufführung in Berlin vermutlich echte Sorge hervorrief. Jetzt liegt vielleicht die Komik in der Tatsache der bekleideten Männermannschaft auf der ausschließlich von mehr oder weniger nackten weiblichen Wesen besetzten Bühne. Ansonsten erscheint die Männerwelt nur in der Karikatur: Als Handwerker, dem nichts gelingt, als Angler, der Nixen nachjagt und schließlich in einer opulenten Szene mit Sailors Dance, der in einer grandiosen Keilerei endet.
Neben Humor und Satire gibt es auch ernste Einschübe, wenn Frauen von ihren Leiden, von Vergewaltigung oder Magersucht berichten. Echtes Blut fließt, wenn sich jemand einen Anker tätowieren lässt. Nicht immer sind die Bilder und Texte leicht wegzustecken.
Nachdem die Frauen als Nixen dem Pool entsteigen, assoziieren die schlabberigen Fischschwänze den Verlust jeder Sexualität, die dann aber in der nächsten Szene wieder umso drastischer demonstriert wird: Am Bühnenhimmel erscheint ein gelber Hubschrauber, auf den sich alle Nixen, Nymphen und natürlich auch Shakespeares Ophelia, um die es ja hier geht, schwungvoll hochretten, um dann einen grandiosen gemeinsamen Orgasmus zu zelebrieren. Hier muss Ophelia nicht sterben, hier ist sie die starke Frau, die sich mit ihren Artgenossinnen allen patriarchalen Vorgaben wiedersetzt. Hier überleben die Frauen allen Menetekeln zum Trotz, wenn selbst das Wasser in Flammen aufzugehen scheint und ein gewaltiger Schauer Plastikflaschen auf die Bühne niederprasselt.
Zum Schluss erscheint noch eine Kinderschar, sie singen und tanzen, äußern sich kritisch. Offen bleibt, ob sie für die letzte, oder die zukünftige Generation stehen.
Ein grandioser Abend voller Grenzüberschreitungen und spektakulärer Aktionen mit parodistischem, sarkastischem und ernstem Hintergrund. Einiges erinnert an mutige Vorreiter wie Schlingensief, Kresnik oder gar Pina Bausch. Das Publikum dankte mit stürmischem Applaus und Standing Ovation.