Auf einem schmerzhaften Weg
Für das Publikum könnte es nützlich sein, vorab Vokabeln zu lernen. Sonst sitzt man womöglich in der Aufführung und fragt sich, wer „Dey“ ist. Ein Glossar im Programmheft hilft: „Dey“ ist ein geschlechtsneutrales Neopronomen, das alternativ zu „er“ oder „sie“ verwendet wird. Im Stück Muskeln aus Plastik meint es zumeist „K“: jenen Menschen also, der sich auf dem schmerzhaften Weg befindet, den eigenen Körper der geschlechtlichen Identität anzupassen. „A boy named K.“, schreibt Autor Kay Matter, der bei der Münster-Premiere seines letzten Stücks „Helena“ noch Selma Kay Matter hieß.
Ein vierköpfiges Ensemble bewegt sich im Kleinen Haus auf einer zentralen Spielfläche, die mit Kissen bedeckt und von einem Laufsteg umgeben ist; mittig erhebt sich ein Hochbett, in das sich K. immer wieder zurückziehen muss. Denn neben den Mühen der „Transition“ durch Operationen und Therapien wird in Matters Werk auch das Leiden an Long Covid thematisiert. Wesentliche Figuren, die K. umschwirren, sind Ilay, auf ähnlichem Weg und in liebender Nähe mit K. verbunden, und Aaron, ein nur scheinbarer Fitnessstudio-Macho.
Kay Matter, zunächst als Bühnenautor erfolgreich, hat mit Muskeln aus Plastik sein Prosadebüt vorgelegt und diesen Text nachträglich dramatisiert. Aus diesem Prozess resultiert die Länge der Erzählpassagen durch „Kay“, gewissermaßen den Menschen, zu dem K. geworden ist. Regisseur Jakob Weiss, von dem auch Bühne und Musik stammen, hat sich dafür entschieden, die Rand- und Nebenfiguren einerseits und die Hauptrollen K. und Kay andererseits dem Ensemble in fließendem Wechsel anzuvertrauen. So entstehen Situationen, in denen die Erzählung als Folge von vier Monologen erklingt. Für das Ensemble mag das hilfreich in der Bewältigung der langen Erzählpassagen sein; für das Publikum indes verblasst die Möglichkeit der Identifikation. Was den eigentümlichen Effekt hat, dass sich trotz der kurzen Aufführungsdauer von etwa 80 Minuten kein wirklicher Spannungsbogen bildet.
Vergnügen bereiten den Zuschauern jene komödiantischen kleinen Szenen, die dem ernsten Thema Humor abgewinnen. So gibt es skurrile Auftritte etwa einer beherzt berlinernden Ergotherapeutin, eines ulkigen Ikea-Verkäuferpaares oder Hugh Hefners, der K. eine möglichst maskuline Einrichtung aufschwatzen will. Einem plastischen Chirurgen, den sein beruflicher Erfolg zum Porsche-Sammler machte, gibt Darsteller Julius Janosch Schulte als prägnantestem Sprecher des Ensembles groteske Präsenz. An seiner Seite ernten Luise Zieger, Alaaeldin Dyab und Jules* Elting großen Applaus des Premierenpublikums.