„Lausch mit Inbrunst/meinem Kaleidoskop der Schimpf-Kunst!“ (Cyrano)
Am Rheinischen Landestheater Neuss kam jetzt Martin Crimps Bearbeitung von Edmond Rostands Cyrano de Bergerac heraus. Crimps Sprache ist präzise, rhythmisch, schneidend. So verfasste Crimp nicht nur eine moderne Übersetzung des Textes von 1897, sondern versetzte das Stück mit Hilfe von Battle-Rap Events ins Heute. Die ursprüngliche Geschichte bleibt gleich. Cyrano und Christian lieben beide Roxane. Diese fühlt sich von der Aufmerksamkeit des schönen Christian geschmeichelt, doch muss er für sie auch intellektuelle Fähigkeiten haben. Was nun gar nicht der Fall ist. Roxane berichtet ihrem Freund Cyrano von ihrer Liebe zu Christian und ihrem Zweifel. Cyrano beschließt, Christian zu helfen, obwohl er selbst rettungslos in Roxane verliebt ist. In Christians Namen schreibt er der Angebeteten unzählige virtuos formulierte Liebesbriefe. Dann verliebt sich auch noch der Kommandant De Guiche als dritter in Roxanne. Die beiden Konkurrenten schickt er kurzerhand ins Gefecht.
Crimp setzt bei seiner Überarbeitung des Textes Sprache als Waffe ein. Cyrano hat von der Natur eine übergroße Nase bekommen, daher traut er sich nicht, Roxane seine Liebe zu gestehen. Dafür setzt er Sprachwitz und gekonnte Formulierungen sehr klug ein. „Lausch mit Inbrunst/meinem Kaleidoskop der Schimpf-Kunst“ ist seine Devise. Sprache als eine Art Degen im Kampf mit dem Konkurrenten. Dennoch gibt es nicht nur Rap-artiges Gemetzel, sondern durchaus auch Momente der ergreifenden Liebe, in denen sich Cyrano nachdenklich und bewegt zeigt.
Sebastian Sommer inszenierte Cyrano am Rheinischen Landestheater auf höchst erfrischende Weise. Rap-Musik-Fetzen sind immer wieder eingestreut. Alexander Grüner hat die Bühne mir Leuchtstoffröhren, die die Farbe von Szene zu Szene wechseln, eingerahmt. Als Bühnenbild sehen wir eine Art Schrankwand mit diversen Fächern, so wie man sie in der Umkleidezone eines Sportzentrums erwarten könnte. Sie bietet unterschiedlichste Möglichkeiten für Auftritte und Abgänge. Die Schauspieler tragen futuristisch anmutende Kostüme aus glänzendem Stoff und grellen Farben. Was gut zu dem häufigen Imponiergehabe passt. Die Sprache steht im Mittelpunkt. Rhythmus, Alliteration, Artikulation, Betonung und Pausen bestimmen den „Flow“ dieser so intensiven Inszenierung. Wobei alle Mitglieder des Ensembles zu loben sind, die mit viel Spielfreude agieren: Simon Rußig, Vera Hannah Schmidtke, Tim Richter, Anton Löwe und Stefan Schleue. Ganz besonders aber Benjamin Schardt als Cyrano, der perfekt auf der Klaviatur der Gefühle spielt. Mal ist er der hoffnungslos Verliebte, dann wieder der kampferprobte Soldat. Ihm ebenbürtig Katrin Hauptmann als selbstbewusste Roxane.
Es ist ein Vergnügen, diesem lebendigen, temporeichen Abend voller pfiffiger Ideen zu folgen, der nicht eine Sekunde Langeweile aufkommen lässt.
Jubelnder Applaus und Standing Ovations zu Recht.