Walzerseligkeit und „ballet noir“
Mit diesem Ballettabend beginnt an der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf/Duisburg eine neue Serie, die vor allem mehr Duisburger Zuschauer anlocken soll und generell einen guten Einblick in die außergewöhnliche Arbeit des Ballett am Rhein bietet. In Reprise vereint der Direktor und Chefchoreograf Martin Schläpfer Choreografien, die schon im Repertoire sind, aber in neuer Kombination andere Aspekte betonen oder einfach durch Wiederholung zum „Wiedererkennungseffekt“ beitragen und sich nachhaltig einprägen sollen. Das ist im zeitgenössischen Ballett gar nicht so einfach, weil es ja im allgemeinen, im Gegensatz zum Klassischen Ballett etwa eines Tschaikowsky oder Adolphe Adam, kein Märchen oder eine leicht erkennbare Geschichte erzählt. Die beiden ersten Folgen zeigen in dieser Spielzeit ausschließlich Choreografien des Schweizers, reprise.01 drei Werke auf musikalische Meisterwerke des 19. Jahrhunderts, reprise.02 die Neueinstudierung der getanzten, (handlungslos philosophierenden) Oper Neither von Morton Feldman.
In reprise.01 gibt die Musik die „Marschroute“ vor. Den geradezu verspielten Auftakt bildet „Marsch, Walzer, Polka“ mit vier Konzert-Tänzen der Wiener Strauß-Dynastie, eine der wenigen „leichteren“ Choreografien von Schläpfer. An der schönen blauen Donau beginnt und endet mit einem verträumt romantischen Solo von Camille Andriot. Gruppen gesellen sich mit kurzen Paar-Sequenzen hinzu. Unvermittelt spielt sich vorn eine kleine Dreiecks-Liebelei ab: zwei Barden werben um die immer wieder fulminante, kokettierende Marlúcia do Amaral. Ein pantomimisches Paradestück – ähnlich Loriot als „Opa“ - bietet zum Radetzky-Marsch „Altmeister“ Jörg Weinöhl, der marschiert, salutiert, dirigiert, eifrigst parliert und paradiert. In der Annen-Polka sorgt vor allem eine gespielt linkische Sachika Abe für Heiterkeit, während Remus Sucheana den Clown markiert. Zum flirrenden Geigen-Auftakt von Sphärenklänge simulieren sieben Tänzerinnen Startbereitschaft zu einem Wettlauf. Hinterher finden sich Paare zu aparten Hebungen, Schwüngen und Sprüngen oder Drehungen im Walzertakt zusammen.
Zu Schuberts „Forellen-Quintett“, gespielt von Christoph Altstaedt und Mitgliedern der vorzüglich begleitenden Duisburger Philharmonikern, hüpfen, kullern, wirbeln die Tänzer quicklebendig, witzig und virtuos in bunt bemalten Ganzkörpertrikots von Keso Dekker durch schraffierte Lichtvorhänge. Jörg Weinöhl watet bedächtig in Gummistiefeln an der Rampe entlang und fängt sich im Variationssatz ein höchst appetitliches Fischchen, die unvergleichliche Marlúcia do Amaral.
Schläpfers Reformationssinfonie auf Mendelssohn-Bartholdys gleichnamige 5. Sinfonie ist ein „ballet noir“ (im Gegensatz zum klassischen „weißen Akt“ etwa in Schwanensee oder Les Sylphides), getanzt in schwarzen Trikots und Spitzenschuhen. Eindrucksvoll bilden sich immer wieder kleine Gruppen und formen Tableaux, die an griechische Skulpturen erinnern. Gleich zu Beginn beispielsweise der elegante Pontus Sundset und der ernste, hochgewachsene Ordep Rodriguez Chacon. Aber auch hier, wie in den beiden vorangestellten Balletten, blitzt Witz auf, setzt Schläpfer eindeutige akrobatische Akzente, die seine neoklassische Handschrift so unverwechselbar heutig machen.
Das Duisburger Premierenpublikum zeigte sich begeistert.