Das Kind als Ding
Mensch und Maschine. Der Mensch als Maschine. Das sind keine neuen Themen auf dem Theater. Hier aber werden Menschen wie Waren in einem Produktionsablauf „verarbeitet“. Das Kind als Ding. Deshalb auch schreibt der französische Choreograf den Titel klein. Absolute Abstraktion ist verlangt, totale Anonymität, völlige Regungs- und Bewegungslosigkeit. Das Publikum zeigte sich bei der Uraufführung in Avignon im vorigen Sommer hellauf begeistert. Anders reagierten deutsche Zuschauer am Eröffnungswochenende der Ruhrtriennale in der Jahrhunderthalle Bochum – einem an sich geradezu prädestinierten Rahmen für das brutale Spiel der Maschinen mit den Menschen und der Erwachsenen mit den Kindern, bis die hellwach werden. Fast wie in den ersten Wuppertaler Jahren von Pina Bausch stürmten schockierte Zuschauer mittendrin davon. Ein Mann schrie entnervt: „Aufhören!“ und verließ Minuten später mit seiner etwa zehnjährigen Tochter das Auditorium. Laute Buhs mischten sich in den Schlussapplaus. Unbestritten eindrucksvoll bleibt freilich die fast übermenschliche Leistung der Tänzer und Kinder.
Zu Beginn liegen drei schwarze Gestalten wie achtlos entsorgter Müll auf dem Bühnenpodest. Man befindet sich offensichtlich auf einem Fabrikgelände mit einem Kran, einer Art Rollband und einer Rüttelfläche. Wie ein behäbiger Krake setzt sich der ferngesteuerte Arm des Krans in Bewegung, greift sich nach und nach die drei Menschen, lässt sie baumeln, fallen, setzt sie auf dem Fließband ab, wo sie irgendwann auf der Rüttelfläche landen und wie Mehlsäcke zusammengestaucht werden.
Hinter dem Rollband betreten Menschen – ebenfalls ganz in schwarz und barfuß – den Raum. In den Armen oder auf dem Rücken tragen sie Kinder. Manche schleifen eins hinter sich her, bleich und leblos wie Leichen. Makabre Rituale – mechanisch, selten mit einem Hauch Zärtlichkeit – werden von leisem Summen untermalt. Irgendwann entsteht ein vielstimmiger, harmonischer Chor daraus. Das plärrende Ostinato eines Dudelsacks übertönt ihn. Die Kinder erwachen aus ihrer Starre, bemächtigen sich nun der Erwachsenen, rennen, hüpfen – immer mehr werden es, siebzehn zum Schluss gegenüber den neun Erwachsenen. Aber die Spiele entbehren jeder Fröhlichkeit. Auch der Marsch hinter dem dudelnden Kinderfänger her wirkt wie ein Trauermarsch. Vom Arm des Krans baumelt schließlich kopfüber der Dudelsackpfeifer. Abrupt endet der danse macabre.