Übrigens …

La Création du monde im Schauspielhaus Düsseldorf

Bittere Antwort auf kubistisches „Negerballett"

Inmitten der lärmenden Großbaustelle in der Innenstadt begann Donnerstagnachmittag auf dem Gustav-Gründgens-Platz vor dem Schauspielhaus der 3. internationale Tanzkongress mit dem öffentlichen Aufwärmprogramm "Tanz aller - Ein Bewegungschor" in Anlehnung an die Massentänze der 1920er Jahre. Weit über 100 Laien und Tänzer folgten spontan den Anweisungen des Performancekollektivs Ligna. Im Theater schloss sich die Deutsche Erstaufführung der Rekonstruktion des ersten kubistischen Balletts "La Création du monde" von Fernand Léger und Darius Milhaud von 1923 durch den kongolesischen Choreografen Faustin Linyekula mit dem CCN-Ballet de Lorraine an. Es ist das Herzstück des Abends. Léger und Milhaud wollten mit dem afrikanischen Mythos von der Erschaffung der Welt in Afrika eine ganz neue Richtung modernen Tanzes begründen: das "Negerballett".

Das Original in farbenfrohen Kostümen und großen kubistischen Dekorationen dauert nur reichlich eine Viertelstunde. Vögel tanzen auf Spitze, Affen schwingen ihre langen Arme. Insekten kriechen über den Boden. Stammesälteste vollführen rituelle Tänze. Ein prachtvoller Anblick ist das. Aber der Schein trügt. Hier geht es um eine politische Anklage Afrikas gegen den Kolonialismus.

Vorangestellt hat Linyekula den Versuch eines Afrikaballetts durch heutige Tänzer in hautengen bemalten Ganzkörpertrikots. Als Zuschauer sitzt an der Rampe ein junger Afrikaner in westlicher Alltagskleidung. Allmählich erhebt er sich und quert die Rampe fast unmerklich mit beeindruckendem ständigen Schwenken seines Hinterteils und kleinsten Schritten seiner bloßen Füße. Unauffällig enthüllt er Kisten mit den Originalkostümen des historischen Balletts und zieht die großen Dekorationsplanen bis zum Schnürboden hoch.

Am Ende des kurzen Balletts steht er allein mitten auf der Bühne mit Mikrofon in der Hand wie ein Popstar, nun im selben Ganzkörpertrikot wie die Tänzer zu Beginn, und fordert das klatschende Publikum zu immer mehr Applaus auf. Aber immer hektischer und hysterischer wird er, tanzt und schreit bis zur Erschöpfung - wutentbrannt über die Wunden, die die Kolonialisierung bis heute hinterlassen hat, auch durch die völlige Entstellung afrikanischer Kultur.  Beklemmende Betroffenheit herrschte im Saal.