Übrigens …

Der schwarze Garten im Theater Münster

Alpträume in der Dreambox

Traumsprache sei Bildsprache, beobachtet Hans Henning Paar. Das komme dem Tanz entgegen. Die Bühne als Dreambox... Düster sind die Traumbilder, die der Choreograf nach dem Gedicht des Spaniers Manuel Machado Der schwarze Garten auf die kleine Bühne des Theater Münster bringt - alptraumartig manche, voller Poesie und Sinnlichkeit andere. Gestalten geistern und spuken durch den Raum. Dann wieder formulieren Körper erotische oder sehnsuchtsvolle Fantasien. Leise flüstert eine männliche Stimme Gedichtzeilen - vom unermesslichen Schweigen der Nacht und wie der Mond und die Statue sich lechzend küssen....

13 Miniaturen reihen sich zu dem achtzigminütigen Nachtstück aneinander. Im Entrée auf eine Klaviersonate des tschechischen Komponisten Luboš Fišer (aus dem Lautsprecher) tasten sich die Tänzerinnen und Tänzer zwischen den Zuschauertribünen hindurch in den Garten, der im Halbdunkel liegt: haushohe schwarze Blüten, Blätter und Gräser auf gebogenen Stängeln schimmern durch den Gazevorhang. Schwarz gekleidet sind auch alle nächtlichen Besucher: in Abendgarderobe oder Glitzer- und Rüschenfummel, als kämen sie von einer Party die einen - im streng neutralen Hosenanzug andere. Eine Ballerina im steif abstehenden Tellertutu (Ako Nakanome) tanzt anmutig den kleinen Walzer inmitten scheinbar aufgezogener Tanzpuppen. Später wird nochmals ein Stück der bizarren Musik des Tschechen zu hören sein - wenn Der Nachtmahr (Cornelius Mickel) sich auf sein zartes Opfer (Sandra Guénin) stürzt und es tötet, während eine kleine Hexe (Maria Byarri Pérez) das Paar umschleicht.

An der Rampe entlang schreitet gemessen die Pianistin Elda Laro zum Flügel, um Rachmaninow-Barkarolen, -Fantasien, -Elegien, -Tänze und -Präludien mit großem Effekt aus den Tasten perlen zu lassen. Romantik pur für die Ohren - ein buntes Kaleidoskop von Bewegungsbildern für die Augen. Die immer wieder als besonders ausdrucksvoll und geschmeidig auffallenden Tänzer Tommaso Balbo und Marcelo Moraes huschen als Nachtfalter durch den Garten. Eine mysteriöse Fee mimt dazwischen Sandra Guénin, die wenig später aus einem Fenster hoch über der Spielfläche eine kafkaeske Szene beobachtet: ein Rieseninsekt (Cornelius Mickel) schleicht sich heran. Halb Gottesanbeterin, halb Spinne, bemächtigt das schwarze Ungeheuer sich der arglosen Kreaturen und bohrt den tödlichen Stachel in ihre Leiber. In einen finsteren Buckeligen mit hohem Zylinder und Krückstock verwandelt, trollt sich der Mörder.

Drei ungleiche Paare tanzen ahnungslos einen Totentanz in Berührungen. Maria Bayarri Pérez durchlebt Fliegen und Fallen mit akrobatischer Verve. Ein echter Alptraum dagegen ist Adam Dembczynskis Solo Ich komme nicht an. Immer wieder rennt er nach vorn, streckt die Hände dem vermeintlichen Retter entgegen, wird aber wieder und wieder zurück gezogen in die Finsternis hinter den Nebelschwaden. Würmer winden sich (Kana Mabuchi, Tommaso Balbo). Herr und Frau Tod (Vladimir de Freitas Rosa, Ako Nakanome) in grauen Sweatshirts wagen ungerührt ein Tänzchen hinter hohläugigen Masken. Nackt bespiegelt seinen schönen, muskulösen Körper der Narziss (brillant: Marcelo Moraes). Mit Schreck und Chaos als eindrückliche Ensembleszenen endet die Nacht. Wie gelähmt, mit weit aufgerissenen Augen und lautlosem Schrei in der Kehle erwacht der Mensch...

Hans Henning Paar schafft zu Traumerinnerungen seiner Tänzer in der "Dreambox" von Bühnenbildnerin Isabel Kork mit zwei rollenden Wänden makabere und poetische Stimmungen und lässt dabei der Fantasie der Zuschauer viel Raum. Das Premierenpublikum applaudierte mit stehenden Ovationen.