Übrigens …

Drei Farben: Tanz im Dortmund, Oper

Der Pianist und die Klavier-Tänzer

Dortmunds Ballettdirektor Xin Peng Wang holt gelegentlich Gastchoreographen an sein Haus, um seine Compagnie mit „fremden“ Ansichten und Positionen zu konfrontieren. Um auch die künstlerische und stilistische Belastbarkeit zu prüfen. Jetzt holte er unter diesem Aspekt gleich drei namhafte Künstler, die für ganz unterschiedliche Konzepte stehen: den Engländer Douglas Lee (Stuttgart/London: Piano Piece, den Amerikaner William Forsythe (Frankfurt: The Vertiginous Thrill of Exactitude) und den Schweden Alexander Ekman (Amsterdam/New York: Cacti). Abgesehen von dem wenig aussagenden und lapidaren Titel hielt der gefeierte Abend, was er versprach – nämlich Tanzqualität mit Lust und Leidenschaft, mit Witz und Spannung, mit Neoklassik und Raumlinien, mit szenischen Pointen und akrobatischer Technik. Das Dortmunder Ensemble stellte einmal mehr unter Beweis, wie harmonisch und elegant-leger es Szenen meistert und dabei tänzerische Funken sprühen lässt.

Piano Piece von Douglas Lee: eine vergnügliche, unterhaltsame, aber niemals banale Lektion über das Verhältnis Mensch/Klavier oder Mensch/Musik. Die Tänzer seien das Klavier und der Choreograph der Pianist, sagte einmal George Balanchine. Diese Aussage dient Lee als Leitmotiv für seine von Klavieren besetzte Bühne. Die Instrumente arbeiten als Werkzeuge und als Inspirationsorte in der Choreographie mit. Dabei kommt es zu überraschenden, emotionsreichen Kontrapunkten, Animationen und ungewöhnlichen Kombinationen von Körper und Raum.

Der Schrecken/Schauder der Exaktheit: ein Klassiker von Forsythe, der in diesem Stück die Ballettklassik mit dem ihm eigenen Humor feiert. Balanchine dürfte ihn dabei beeindruckt haben. Wie stets, pocht der Choreograph auch hier auf Tempo, führt Dortmunds nahezu perfekt getimtes Team an technische Grenzen. Es kann seinen guten Ruf als austrainierte und ambitionierte Truppe unterstreichen. Forsythe verlangt viel – und die Multikulti-Riege von Xin Peng Wang hält der Grenzerfahrung bravourös Stand.

Cacti: ein ironisch verpacktes Spiel über Sein und Schein der Kunst und der Maskerade. Die Tänzer/innen tragen Badekappen – allein schon dieser Effekt sorgt für Aufmerksamkeit und Hingucker-Respekt. Aber Ekman ist weit entfernt von nur äußerer Raffinesse. Er treibt mit motorischen und rhythmischen Impulsen einen hintergründigen Dialog zwischen den Solisten und den Proportionen der Bühne (auf der Kakteen wachsen!), zwischen musikalischen Abläufen und ästhetischer Antwort. Da schaut man sehr gern und mit viel Offenheit zu.

Zur (teilweise live gespielten) Musik von Andriessen bis Schubert, Haydn bis Meijering oder Beethoven erlebt man drei kontrastreiche Stücke über Optionen des heutigen, sich allerdings der Tradition bewussten Balletts. Drei Farben aus dem riesigen Meer der getanzten Töne  – eher jedoch eine vorzügliche Demonstration eines tüchtigen und ehrgeizigen Ensembles, das durch seinen Ballettchef längst ideal zusammen gewachsen ist und geformt wurde. Hinfahren!