PINA40 - wehmütiges Jubiläum und Neubeginn
Die Premiere des Klassikers Nelken von Pina Bausch läutete im Opernhaus Wuppertal PINA40 in NRW ein. Mit Aufführungen von insgesamt acht Stücken in Wuppertal, Düsseldorf und Essen steht Nordrhein-Westfalen im November im Zeichen des weltweit gefeierten 40-jährigen Jubiläums des Tanztheater Wuppertal. Ein besonderes Highlight ist der Strawinsky-Abend mit der Rekonstruktion der Frühwerke Wind von West und Der zweite Frühling verbunden mit Bauschs aufwühlender Version von Le Sacre du Printemps (ab 22. November in Wuppertal, am 26. November in Essen). Auch Filme von, mit und über Pina Bausch und dem Tanztheater stehen auf dem Plan, darunter der 3-D-Film pina von Wim Wenders und Die Klage der Kaiserin von Pina Bausch und der Fellini-Streifen Schiff der Träume mit Bausch als blinder Adeliger.
Zu den Ausstellungen gehören Fotoshows von Walter Vogel in Wuppertal und Guy Delahaye im Französischen Kulturzentrum Düsseldorf sowie Installationen des langjährigen Bühnenbildners Peter Pabst in Wuppertal. Die „Begegnungen“ geben Einblicke in Persönlichkeiten wie Mechthild Großmann, gebürtige Münsteranerin, Tatort-Staatsanwältin Wilhelmine Klemm und prägnante Bausch-Darstellerin, im Gespräch mit Alice Schwarzer. Die Choreografen William Forsythe, Mats Ek und Anne Teresa De Keersmaeker sind als „Freunde zu Gast“. Ehemalige Bausch-Tänzer geben Workshops und präsentieren eigene Choreografien im tanzhaus-nrw Düsseldorf, so die heute weltberühmte Australierin Meryl Tankard mit The Oracle, einem Solo auf Le Sacre du Printemps. Ihr Name wird seit dem tragischen Tod von Pina Bausch vor vier Jahren immer wieder als deren potentielle Nachfolgerin genannt. Generationswechsel auch - wieder einmal - bei Nelken mit überraschend vielen neuen Tänzern.
„Was tut man nicht alles, um geliebt zu werden“, hat Pina Bausch einmal gesagt. Die Liebe ist das ganz große Thema der Ikone des Deutschen Tanztheaters. Auch in Nelken rankt sich alles um die zwischenmenschliche Liebe mit all ihren Erwartungen, Hoffnungen und Sehnsüchten, aber ebenso um lieblose Ungeduld, Grausamkeit und Demütigung. „Die Liebe ist so stark wie der Tod“, tönt es in einem Chaos von Bewegung, Stimmen und dem Klang des Variationssatzes aus Franz Schuberts Quartett Der Tod und das Mädchen. Mit hunderten rosa und roter Nelken ist der Bühnenboden besteckt. Vorsichtig staksen die Tänzer anfangs durch das Blumenfeld. Aber eine Stunde später sind fast alle Blüten niedergetrampelt. Am Bühnenrand kläffen schwarze Schäferhunde, während Fernando Suels Mendoza angstvoll dem Befehl des eiskalten Zöllners (Andrey Berezin) folgt, einen Hund, einen Frosch, eine Ziege und einen Papagei darzustellen – „mit Ton“. Angstschreie stößt Aida Vainieri aus, als sich vier Stuntmen von hohen Metallgerüsten auf aufgestapelte Umzugskartons stürzen und sich ihr dann mittels Rollen und Salti über einen Tisch nähern.
Erste Liebe - große Liebe - wie die Liebe zum Tanzen entstand - das waren einige der Stichworte, die Pina Bausch ihren Tänzern 1982 während der Proben zu diesem Stück vorgab. Bei der Uraufführung stand über dem Schlusstableau mit allen Tänzern in ungelenker Pose des klassischen Port de bras „10 Jahre Tanztheater Wuppertal“. In der Folge wurde Nelken eine der meistgefeierten Bausch-Choreografien. Bis vor kurzem tanzten noch einige Tänzer der Uraufführung mit, darunter Dominique Mercy, Lutz Förster, Helena Pikon und Nazareth Panadero. Sehr wehmütig sieht man die Neueinstudierung ohne einen einzigen dieser charismatischen Künstler - und ohne „die Pina“ inmitten ihrer Company beim Schlussapplaus. Diese Premiere zieht einen Schlussstrich, signalisiert aber tapfer und mutig auch einen Neuanfang. Denn fraglos packen und berühren Pina Bauschs Stücke auch mit anderen Tänzern - jedenfalls, solange noch die Originalbesetzung die Einstudierung übernimmt.