Übrigens …

Benefiz-Ballettgala im Gelsenkirchen, Musiktheater im Revier

Tänzer unterstützen Liebe zur Musik

Weil Gelsenkirchens Musiktheater im Revier (MiR) kein Geld für die kulturelle Förderung von Kindern der Region hat, sprang am Wochenende das hauseigene Ballett schon zum zweiten Mal mit einer hochkarätig besetzten Benefiz-Gala in die Bresche. Der Erlös aus Eintrittskarten und Spenden kommt zur Gänze den fünf Kinderprojekten der MiR-Stiftung zugute. Ihr Motto: „Aus Liebe zur Musik“. Hunderte Kinder zwischen drei und zehn Jahren in Kitas und Grundschulen sind begeisterte Nutznießer und „Kollegen“ der Künstler, zum Beispiel bei der Entstehung und Aufführung der „Oper aus dem Koffer“ im Klassenzimmer.

Bridget Breiner konnte Kollegen aus Stockholm, Amsterdam, Mailand, Stuttgart, Dresden und Essen gewinnen. Außerdem stellte sie ihre weitgehend neu engagierte vorzügliche Truppe vor und erwies sich einmal mehr als formidable Choreografin und Tänzerin. Auch dank der Moderation von Generalintendant Michael Schulz kam die Gala so persönlich und witzig daher wie selten ein derartiges Glamour-Event.

Eingerahmt wurde das Divertissement von Soli und Pas de deux oder trois von zwei Gruppenchoreografien. Das Entrée bildete David Dawsons Pas de cinq aus dem ersten Akt von Giselle, die gerade in Essen Premiere hatte und ab Oktober beim Produktionspartner MiR zu sehen sein wird. Star-Ballerina Adeline Pastor und ihr Gefolge-Quartett durchmaßen die Bühne mit kraftvollen Sprüngen, dynamischen Hebungen und schnellen Pirouetten.

Am Ende des Programms stellte sich Breiners Ballett im Revier mit der Deutschen Erstaufführung von Lynne Charles' La Valse für sieben Paare auf Ravels Komposition ganz neoklassisch und sehr vorteilhaft vor.

Schon vor der Pause hatten die drei Top-Solisten Kusha Alexi, Joseph Bunn und Petar Djorcevski beeindruckt in der Uraufführung von Breiners In Honour of. Das Auftragswerk für das Lettische Nationalballett Riga war kurzfristig von den Gelsenkirchener Tänzern einstudiert worden, weil die Rigaer Kollegen zu der Gala wegen schwerer Verletzung der Ballerina nicht anreisen konnten. Der Titel der Choreografie bezieht sich auf die Musik von Georgs Pelecis, mit der er dem Briten Henry Purcell Reverenz erweist. Das Festliche der barock inspirierten Musik setzt Breiner in berückend schöne lyrische Gestik und weite Schrittfolgen um. Die hochgewachsenen Tänzer - Alexi in hautfarbenem Ganzkörpertrikot und Spitzenschuhen, die Männer nur bekleidet mit langen schwarzen Lederhosen - füllen die Bühne mit majestätischer Aura, die durch das Licht aus einem mobilen kleinen Scheinwerfer auf den oder die jeweils Tanzenden fokussiert. Da kommt es mitunter zu Brechungen der Stimmung und auch zu Blendung der Zuschauer. Dennoch ist es zweifellos eine der stärksten Kurzchoreografien Breiners.

In zwei Pas de deux präsentierten sich Nadja Sellrup und „Kobold“ Jens Rosén vom Königlich Schwedischen Ballett als Unterhalter des Abends. Mit faszinierender technischer Präzision fingen sie den clownesken Charme von Mats Eks Pointless Pastures und Jean-Christophe Maillots Altro Canto (mit witzigen Kostümen von Karl Lagerfeld) ein.

Den bestrickend natürlich wirkenden und doch ebenso virtuosen zeitgenössischen Tanz brachten aus Amsterdam Suzanna Kaic und Sebastién Galtier mit Consequence des Spaniers Juanjo Arques auf die Bühne. In ähnlichen „Schlabbershirts“ - nur pink und flieder statt beige-braun - traten Francesca Berruto und Alexander Zaitsev aus Stuttgart in Come neve al sole von Rolando d'Alesio auf, einem parodistischen Tango für zwei scheinbar endlos dehnbare T-Shirts und Menschen.

Ganz groß heraus kam Zaitsev später in Uwe Scholz' Solo Notations und erfreute mit einer mutigen, wesentlich weniger akademischen Präsentation als seinerzeit Vladimir Malakhov, für den Scholz dieses Solo kreierte (ist das knapp sitzende kleine rote Höschen der Stuttgarter Uraufführung beim Waschen eingegangen?)

Fasziniert feierte das Publikum Sabrina Brazzo aus Mailand für ihre Kür an der Stange mit Steel von Gianluca Schiavoni. Die einzige rein klassische Nummer zeigte Gelsenkirchens Aidan Gibson perfekt mit der sechsten Variation aus Raymonda. Das Tüpfelchen aufs "i" setzten Bridget Breiner und Raphaël Coumes-Marquet aus Dresden mit David Dawsons Pas de deux On the Nature of Daylight.