Dritte Tanzgala zu Gunsten der AidsHilfe Münster
Die Benefiz Tanzgala, die Hans Henning Paar jetzt zum dritten Mal zugunsten der AidsHilfe Münster e. V. organisierte, hat sich zu einem Kultur- und Gesellschaftsereignis der etwas anderen Art in der eher behäbigen westfälischen Beamtenstadt entwickelt. Wochenlang vorher ist sie ausverkauft. Jeder will dabei sein, wenn der zeitgenössische Tanz auf der Bühne von Deutschlands architektonisch berühmtestem Stadttheater der Nachkriegszeit seine vielfältigen Facetten aufblitzen lässt. Der Vorsitzende der AidsHilfe Münster e.V., Markus Giesbers, kurbelte die gay-aufgeheizte Hochstimmung auf sachliches Niveau herunter mit seinem Report über die vorjährige Verwendung des Erlöses zur Gestaltung des barrierefreien Zugangs der Beratungsstelle. Diesmal sollen die aus dem Ticketverkauf gewonnenen Gelder in die Jugendprävention fließen; denn „trotz Internet und weiterer vielfältiger Informationsmöglichkeiten herrscht nach wie vor hoher Informationsbedarf", mahnte er in seinem Grußwort. An Sponsoren und ehrenamtlichen Mitarbeitern hat's für diese Veranstaltung keine Not.
Elf Auftritte sorgten für Kurzweil und zwei Moderatoren aus dem Schauspielensemble - Regine Andratschke und Christoph Rinke - für launige Ankündigungen und Entreactes. Aus der NRW-Nachbarschaft hatte Paar diesmal die Kompanien von Robert North aus Krefeld-Mönchengladbach und Ben Van Cauwenbergh aus Essen eingeladen. Dabei punkteten die Solisten des Aalto Balletts, Viacheslav Tyutyukin mit seinen spektakulären Salti und die zauberhafte Yanelis Rodriguez Ferrer mit mühelosen Pirouetten und Fouettés. Gauthier Dance aus Stuttgart sorgte einmal mehr mit zwei Beiträgen für Überraschungsmomente, was Choreografen sich heute so einfallen lassen: zum Beispiel ein Paar (Sandra Bourdais und David Rodriguez als Floating Flowers von Po-Cheng Tsai) übereinander gestapelt und drei (fast) nackte Tänzer (Florian Lochner, Luke Prunty und Juliano Nunes) in Alejandro Cerrudos Pacopepepluto, das technisch fast so anspruchsvoll als respektlose und dennoch atemberaubend tolle Variation von Hans van Manens Solo überkommt.
Der holländische Meister war höchstselbst auf der Bühne vertreten durch Introdans aus Arnheim mit dem Pas de deux auf Mozarts (nicht Beethovens!) „Adagio", sehr ehrfurchtsvoll akkurat getanzt von Yulanne de Groot und Pascal Schut, der später noch Thierry Malandains zweifelhafte Version von L'après-midi d'un faune tanzte, in der er sich schließlich selbst „entsorgen" muss. Ein Bravo für den Tänzer und den selbstkritischen Choreografen!
Als Freund kam der ehemalige Paar-Tänzer Raffaele Irace zurück mit einem Duett für zwei Tänzerinnen seiner Turiner Kompanie the very secret dance society Vittoria Carpegna und Veronica Morello tanzten, wie eineiige Zwillinge gestylt, zwischen Nebelschwaden Beziehungsmuster zweier Menschen - eine reichlich epigonale Contact Improvisation.
Ein Wiedersehen mit Oleg Klymyuk vom Semperoper Ballett gab es beim ästhetischen Höhepunkt des Abends - wie im vorigen Jahr in einer Kostprobe von William Forsythes einzigartiger Kunst, diesmal deutlich überstrahlt von der stupenden Technik und Eleganz von Elena Vostrotina in einem Duett aus Bach auf eben einen Satz aus derselben Partita für Solovioline, die van Manen für sein Solo verwendete.
Hans Henning Paar ließ sein TanzTheaterMünster in einer Gruppenszene aus Descent, der Orpheus und Eurydike- Choreographie von Thomas Noone, tanzen und zum Abschluss der Gala in der Uraufführung seiner anrührenden Bach- Passacaglia auf den Choral „Aus tiefer Not schrei' ich zu dir" zum Andenken an seine vor genau einem Jahr verstorbene Mutter.