New York, ganz Europa und Südafrika: zu Gast im Revier
Dortmunds Ballettmanagement weiß, wie man sein Publikum hungrig auf Tanz macht. Seit Jahren eröffnet das Ballett seine Saison mit einer fulminanten Gala und beschließt die Spielzeit auch so. Jeweils an zwei auf einander folgenden Abenden ist das Opernhaus wochenlang vorher ausverkauft. Denn hier wird schon lange nicht mehr gekleckert, sondern ordentlich geklotzt und für beste Unterhaltung gesorgt. Diesmal reisten Gäste aus New York, Südafrika und europäischen Metropolen von Mailand bis London, Lissabon, Berlin und München an. Xin Peng Wangs Kompanie brauchte sich mit vier der 15 Beiträge neben den Weltklassestars durchaus nicht zu verstecken. Mit Hannes Brock vom Opernensemble ist zudem ein Moderator gefunden, der mit launigen Informationen für Stimmung sorgte.
Mit einem Duett aus Douglas Lees Piano Pieces stimmten Stephanine Ricciardi und Andrei Morariu auf die Wiederaufnahme des Dortmunder Dreiteilers Drei Farben Tanz (ab 4. Dezember) ein. Auch über das skurrile Duett Cacti von Alexander Ekman mit Denise Chiarioni und Giuseppe Ragona kann man sich dann wieder königlich amüsieren. Ein Wiedersehen gab es endlich mit der Choreografin Maryse Delente, deren Solo Solitude Mark Radjapov mit gewohnter Geschmeidigkeit für Dortmund aus der Taufe hob. Das NRW-Jugendballett, das sein Domizil beim Ballett Dortmund hat, tanzte mit der Uraufführung von Wangs Full of Life zu Michael Daugherty's motorischem Drive einen dynamischen Rausschmeißer.
Dazwischen entzückte ein Potpourri vielgeliebter Ballett-Evergreens wie Der sterbende Schwan, getanzt von Starballerina Polina Semionova vom American Ballet Theatre, das Schwarze Schwan-Duett in der originalen Petipa-Version aus Schwanensee mit der Kubanerin Adiarys Almeida und dem US-Amerikaner Joseph Gatti, die Balkon-Szene aus McMillans Romeo und Julia mit der zauberhaft grazilen Vittoria Valerio von der Mailänder Scala, die früher in Dortmund tanzte, und Claudio Corbiello. Neoklassisch beeindruckten auch aus Portugal Filipa de Castro und Carlos Pinillos mit den beiden melancholischen Paarbeziehungs-Studien von Vasco Wellenkamp in Lento for String Quartett und Juanjo Arqués' Roulette sowie Lucia Lacarra und Marion Dino vom Bayerischen Staatsballett München mit Maliphants Spiral Twist. Als rassige Carmen - so aufreizend und pfiffig wie nie im elegant drapierten Minikleid mit Spitzen - gefiel Adiarys Almeida, während Partner Joseph Gatti in seiner eigenen Michael Jackson-Studie MJ Within brillierte.
Als unerreichter Publikumsliebling tanzte sich wieder einmal der Australier Steven McRae vom Royal Ballet London in die Herzen des Publikums. Mit der überraschend witzigen, technisch atemberaubend präzisen Iana Salenko vom Staatsballett Berlin bot er das Duett Quichotte-Kitri aus Carlos Acostas Don Quichotte-Parodie. Mit seinem Solo Tap lockte der „heutige Fred Astaire" das jubelnde Publikum vollends aus dem Häuschen.
Einen Hauch von Festival-Flair brachte die Truppe Moving Into Dance Mophatong aus Johannisburg ins Programm. Vor Beginn ihrer ersten Deutschlandtournée (am 20. September im Dansart Theater Bielefeld als einziger NRW-Station) zeigten die jungen Tänzer einen Ausschnitt aus Romeo und Julia der deutschstämmigen Choreografin Jessica Nupen. Angelehnt an Bernsteins "Westside Story" dominieren HipHop und waghalsige Artistik den Tanzstil. Afrikanische Folklore und Musik, gekoppelt mit Filmprojektionen werden dem deklarierten Anliegen von "Afrofusion" gerecht. Der lange, demonstrativ herzliche Applaus zeugte von Wertschätzung der fremdländischen Tanzeinlage bei dieser typisch europäischen Ballettgala.
Derart hungrig auf Tanz gemacht nach der langen Sommerpause wird das Publikum auch wieder in die Vorstellungen das Ballett Dortmund strömen. Es läuft gut für den Tanz im Revier.