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George Balanchines Spätwerk Mozartiana und Jerome Robbins' getanzte Slapstick-Komödie The Concert umrahmen die Uraufführung von Martin Schläpfers Konzert für Orchester auf Witold Lutoslawskis gleichnamige Komposition, das er seinem lange verehrten Vorbild Hans von Manen widmet. Der europäische Grande der Neoklassik verfolgte den Abend bescheiden und unauffällig in der zehnten Parkettreihe.
Schläpfers neue Choreografie beginnt ganz ohne Musik mit einem düsteren Gruppentableau. Kaum merklich verändern sich Posen und Gesten der einzelnen Figuren in ihren düsteren, lackglänzenden Outfits von Florian Etti. Der hat auch den Raum mit zwei schräg auf die Spielfläche ragenden wuchtigen Konstruktionen - verfremdete Kulissengänge? - bestückt. Den helleren Rückprospekt ziert das halbabstrakte Fragment einer Kuh (?) - Referenz an die folkloristischen Anklänge in der Musik von 1954? Auch das populäre Orchesterstück des Warschauer Komponisten trägt eine Fülle von Assoziationen und Zitaten - angefangen schon bei den barocken Satzbezeichnungen oder militärischen Märschen bis hin zum sakralen Choral im Finale, das den Gruppencharakter der Choreografie noch einmal unterstreicht. Eine Fülle von Klangfarben und unterschiedlichste Instrumentalgruppierungen inspirieren Schläpfer zu klar strukturierten Formationen, die immer wieder an van Manens geometrische Stringenz und Eleganz erinnert. Nur sind dessen Ballette ja delikate, helle Kammerballette. Schläpfer kann mit seiner hochkonzentrierten Truppe auf höchstem technischen Niveau punkten - und immer wieder staunen machen über den offenbar unerschöpflichen Reichtum seines Körpervokabulars.
Wie anders Balanchines vorangestellte Mozartiana von 1981 auf Tschaikowskys Suite Nr. 4. Da wird der strenge Kanon des klassischen Balletts zelebriert, den Balanchine so hartnäckig wie innovativ zu erhalten und erneuern bestrebt war. Gleichsam als ein Trauerflor muten die scherenschnittartigen Rokoko-Vorhänge und Barockkulissen. Todesvorahnung (stirbt mit dem Vater der Neoklassik in Amerika auch das traditionelle Ballett?) signalisieren auch die schwarzen Rokoko-Kostüme der drei Solisten, spärlich akzentuiert mit weiß, und der acht Damen des Corps. Das halblange Tutu der Ballerina ist mit schwarzem Tüll verschleiert. Bei der Duisburger Premiere tanzte Feline van Dijken den Part der Diva makellos. Marcos Menha bewährt sich als ihr sehr eleganter Partner. Alexandre Simões bot eine veritable kleine Commedia dell'Arte-Harlekinade und kokettierte mit eigenwillig abgewinkelten Händen und Füßen. Ein Novum beim Ballett am Rhein ist die Besetzung des Corps: als Gäste tanzen Elevinnen der Mannheimer Akademie des Tanzes.
Ein kurioses Konzertpublikum - Kur- oder Badegäste mit Klappstühlen unterm Arm - unterhält Pianist Matan Porat in bester Mitspiellaune und als Tastenlöwe, zuverlässig unterstützt von den Duisburger Philharmonikern unter Wen-Pin Chien, mit einem Chopin-Arrangement von Clare Grundman. Köstliche kleine Charakterstudien von Individuen zwischen Bildungsdurst und Langeweile wechseln ab mit Parodien auf ein klassisches Corps de ballet mit allerlei Macken und Marotten. Ein launiger Rausschmeißer. Insgesamt ist der Duisburger Dreiteiler überhaupt eine abwechslungsreiche Reise durch die neuere Ballettgeschichte.