Übrigens …

Das Mädchen mit den Schwefelhölzern im Gelsenkirchen, Musiktheater im Revier

Kevin O'Day choreografiert für Kinder

Schwere Kost tischt Gelsenkirchens Ballett im Revier Kindern ab acht Jahren auf. Nein, ein fröhliches Weihnachtsmärchen für die Kleinsten ist Das Mädchen mit den Schwefelhölzern nach Hans Christian Andersen in der Choreografie von Kevin O'Day mitnichten, auch wenn die Geschichte mit großer Klarheit und Übersichtlichkeit des Personals erzählt wird. Wohl aber ist diese Inszenierung ein Leckerbissen für Freunde neoklassischen Balletts und zeitgenössischer minimalistischer Musik und Gesangskunst. Überraschenderweise saßen bei der Premiere selbst die Kleinsten fast eine Stunde lang mucksmäuschenstill und verfolgten gebannt die Tragödie von dem armen, kleinen Mädchen, dem zwei Lümmel erst einen Schuh, dann auch noch die Streichhölzer, die es verkaufen sollte, entreißen. In eisiger Winternacht verhungert und erfriert das Kind schließlich. Die längst verstorbene Großmutter holt es liebevoll zu sich.

Kevin O'Day, nun also „frei" nach dem eher unerfreulichen Aus als Mannheimer Ballettintendant, erzählt die rührende romantische Geschichte sehr zeitnah realistisch. Schon während die Zuschauer ihre Plätze einnehmen, beginnt die Rangelei zwischen dem Mädchen und zwei Rowdies als Pantomime vor der ersten Parkettreihe. Die (längst verstorbene) Großmutter im langen rosa Gewand mit Glockenrock geistert auf der Bühne als Vision durch das Ensemble hoher Säulen (Ausstattung: Thomas Mika), die sich zusammenschieben und gruppenweise auseinanderweichen, lautlos nach vorn und hinten bewegen. Ein Großstadtpaar flaniert immer wieder vorüber - mitleidig die Frau, eiskalt der Mann. Einen wärmenden Eisenofen, einen geschmückten Weihnachtsbaum und eine gebratene Gans sieht das Kind in sehnsüchtigen Fantasien.

Meist sind nur ein bis drei Tänzer auf der Spielfläche. Leicht zu verstehen ist jede Szene. Hinreißend weiche Linien und Gestik zeichnet O'Days Choreografie. Der intime Charakter des Bühnengeschehens wird durch die jungen Musiker - geführt vom Dirigenten Alexander Eberle - auf der Galerie unterstrichen. Allerdings stellt David Langs mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneter Zyklus für vier Gesangsstimmen und Schlaginstrumente The Little Match Girl Passion nach dem Andersen-Märchen viel zu hohe Ansprüche als Klangkulisse für ein Kinderballett. Von den englischen Texten ist praktisch kein einziges Wort im Parkett zu verstehen. Der Amerikaner schrieb seine „Passion" für Erwachsene - für Kenner und Liebhaber minimalistischen Gesangs, der mit seinen ständigen Repetitionen bar jeder Dynamik und gesanglicher Klangvielfalt hier denn doch eher irritiert.

Alle Bewunderung gilt Bridget Breiners Kompanie, die sich durch sehr natürliches Spiel und vorzügliche Technik auszeichnet: Hitomi Kuhara (gastierend) als das kleine Mädchen, Francesca Berruto als Großmutter, Tessa Vanheusden und José Urrutia als Großstadtpaar, Valentin Juteau und Louiz Rodrigues als Straßenjungen sowie in anderen Rollen.