Verrückte Rhythmen, wilde Herden und weißer Tüll
3 By Ekman (Dreimal Ekman) heißt das temporeiche, technisch opulente neue Programm des Aalto-Balletts - und wartet mit einer witzigen kleinen Überraschung obendrauf auf, wie sie dem ehemaligen Tänzer beim weltberühmten Nederlands Dance Theater (NDT II) in Den Haag, Alexander Ekman, so richtig behagt: in einem nonchalanten Video stellt der schwedische Mittdreißiger in hellgrauer Kapuzenjacke sich vor, indem er augenzwinkernd durch die eleganten Marmor-Foyers des Aalto-Theaters tanzt und dabei über seine Laufbahn und Ideen plaudert. Eine pfiffige Idee, sich zwanglos den Zuschauern zu nähern.
Ganz und gar nicht unnahbar geben sich auch in Tuplet (irrationale Rhythmen) die Tänzer auf der Bühne. Wenn die Zuschauer ins Parkett strömen, wärmen sich einige schon auf, indem sie rhythmisch wippen, über den Boden rollen, tänzeln und hopsen, während via Projektion aus zwei Beamern ein stummer Mund Rhythmisches zitiert und zwei Hände lautlos trommeln. Der Rhythmus macht's - an diesem Abend ordnet sich einfach alles den unterschiedlichsten Rhythmen unter. Denn „Was wäre das Leben ohne Rhythmus?“, so die rhetorische Frage. Die sechs Tänzer mit weißen Matten wetteifern mit der Musik wie völlig unterschiedliche Schlagwerk-Instrumente in unterschiedlicher Taktung - raffiniert! In Flockwork (Anspielung auf den menschlichen Herdentrieb) wuseln, robben, jagen und verstecken sich einzelne oder Grüppchen zwischen drei langen Tischen - bis sie endlich darauf kommen, gemeinsam die Tische zum riesigen Rechteck zusammen zu schieben. Unter vom Schnürboden schwebenden durchlöcherten Mülltonnen duschen sie den Maloche-Schweiß ab...
Neuland betritt Ekman mit dem letzten Stück und verpasst sich gleich selbst eine neue Berufsbezeichnung dafür: nicht Choreograf, sondern Ballettograf wurde er plötzlich, als er 2012 zum ersten Mal ein Stück im klassischen Stil kreierte, Tyll (Tüll - der Stoff, aus dem Ballerinen-Träume sind: auf Spitze stehen im wippenden Tüllröckchen, dem Tutu) - das ist Ballett! Für Ekman ein Puzzle aus bekannten Teilen, dem klassischen Ballettvokabular. Allerdings zitiert er in den Gruppenszenen auch unbekümmert aus Jazzdance und Aerobic. Das hat Schwung und Witz. Nur fehlen hierbei denn doch zu den Rhythmen die schwelgerischen Melodien etwa eines Tschaikowsky...
Aber es ist ja auch nur eine Ballett-Probe. Die Primaballerina trippelt durch die Reihen des sitzenden Corps'. Die ziemlich zickige Ballettdirectrice („Black Lady“: Maria Lucia Segalin) stakst auf Spitze wie auf Stilettos und im schwarzen Business-Kostüm durch den hochgefahrenen Orchestergraben und das weiße Tänzerheer. Yanelis Rodriguez und Wataru Shimizu profilieren sich als zahmes Zirkuspaar.
Verliebt hat sich der vielseitige Schwede in alle Facetten der Theatertechnik. Drei Gemälde dekorieren den hufeisenförmigen Spielraum, rutschen schräg ab oder verschwinden, bar ihrer Muster und Clownsgesichter ganz in der Versenkung. Es regnet aus Mülltonnen, es qualmt und es gibt ein buntes Lichterfest mit Videoprojektionen. Ein kurzweiliger, unterhaltsamer Abend! Ob Ekmans kreative Kraft reicht, seine Choreografien ähnlich auszufeilen wie der große NDT-Meister Jiri Kylián, dem das Aalto-Ballett vor einem Jahr eine ähnliche kleine Retrospektive widmete, wird die Zeit zeigen.