Übrigens …

Gola - a Ceremony on Behalf of Missing Affinity im Asphalt Festival Düsseldorf

Gutgemacht muss nicht gut sein

Der zweite Tag des Asphalt-Festivals beginnt in Halle 29 der Alten Farbfabriken. Auf einer Gitter-Außenleiter steigen wir zur dritten Etage hoch und treffen im „Foyer“ ungewöhnlich viel junge Leute; möglicherweise der Tatsache geschuldet, dass sowohl die Choreografin, Tänzerin und Texterin Reut Shemesh als auch der Dramaturg Daniel Rademacher an der Düsseldorfer Universität lehren.

Die Spielhalle hat etwas Bedrückendes, ist rundherum schwarz ausgeschlagen, nur der Bühnenboden glänzt matt-weiß. Rechts und links stehen bereits die uniformierten Tänzerinnen in weißem Hemd und Shorts mit einem riesigen schwarzen Klecks auf dem Outfit, als wäre auf ihnen Farbe verspritzt worden, jeweils an einer anderen Stelle. An der Bühnenrückwand lehnen vier scheinbar weiße Fahnen, beim Ausrollen entdecken wir auch darauf jeweils zwei riesige schwarze, nach allen Seiten versprühte Farbflecken. Irgendwie scheint alles beschädigt, beschmutzt. Die Spieler greifen nach den Fahnen, es wird still im Saal und es bleibt still – endlose Minuten. Keine Musik. Keine Bewegung.

Dann beginnt ein Fahnenschwenken rhythmisch, kunstvoll, sportlich: viermal oben, viermal unten, Platzwechsel, Pause – wiederum dreißig endlose Sekunden Stille. Ich zähle inzwischen mit. Das Klatschen der geschwungenen Fahnen ergibt einen seltsam huschenden Ton. Schließlich werden sie auch über uns geschwenkt, wir gehören jetzt dazu. „Gola is a Ceremony. Please stand up for one minute“, fordert ein Fahnenschwenker das Publikum auf, und das gehorcht. Alle stehen auf. Atemlos endet die Performance für die Akteure, wie sie begann: Fahnenschwenken als reines Exerzieren. Eine Zeremonie wofür? Darauf gibt es keine Antwort.

Eine neue Übung beginnt: faszinierend exakt, zur äußersten Perfektion getrieben wird gehüpft, getrippelt, geschoben. Seltsame rhythmische Geräusche entstehen dabei, Formationen werden aufgebaut und wieder zerstört, Nähe wird gesucht und verweigert. Man „tanzt“ auf der Stelle, in einer Reihe, im Kreis, es wird gesprungen, getrampelt, galoppiert; im Sitzen, im Liegen, im Stehen – bis zur völligen Erschöpfung. Die Füße machen die „Musik“.

Dann werden seltsam gurgelnde Geräusche aus dem Off eingespielt, die Vier bewegen sich puppenhaft zum dröhnenden Donnern und Klirren. „Gola is about us“, ruft einer und dann umarmen sich die Männer und eine der Frauen spricht ein langes Gedicht: Gola wurde erschaffen, um unsere Geschichte zu erzählen. Und dann, im Schlussbild erscheint ein Kind hinter der Fahne und dieses kleine Mädchen fordert uns auf, für eine Hymne aufzustehen. Das Publikum ist höflich und macht den Kitsch mit.

Die Israelin Reut Shemesh und ihre Company bringen mit Gola eine technische Meisterleistung auf die Bühne, dafür dankte das Publikum mit anerkennendem Applaus.

Aber dieser Gola enttäuscht. Er steckt die Erwartungen hoch, wenn er uns zu Beginn glauben macht, einen Ersatz für das sinnlose Fahnenschwenken zu suchen. Doch er liefert nicht. Die angebotene Lösung ist so pathetisch wie der Start. So farblos wie das optische Bild, so leer und emotionslos ist der GOLA. Vielleicht täte dem kritischen Blick auf verkrustete Zeremonien ein ironischer oder doch wenigstens ein humoriger Ansatz eher gut als dieser bitterernste, eingefrorene.