Homo Instrumentalis im Duisburg, Gebläsehalle

Von einst bis bald?

Schon wieder Mikrofone. Es scheint unmöglich zu sein, dass sich menschliche Stimmen in den großen Industriehallen in Duisburg, Gladbeck und Essen im Rahmen der Ruhrtriennale unverstärkt äußern dürfen. Dabei hätte sich das in Homo Instrumentalis geradezu aufgedrängt. Wurde hier doch der so hybride wie aufregende Versuch unternommen, die Geschichte des instrumentierten, des durch Arbeit ausgebeuteten, fremdbestimmten Menschen, mit vier zeitgenössischen Musikstücken zu erzählen. Und gleich das erste von ihnen, „Ode to man“ von Yannis Kyriakides, verwendet Text aus Sophokles‘ Antigone. Alles soll spürbar alt und rein klingen und ist gesetzt für vier Frauenstimmen und analoge Geräusche. Braucht es da die Mikros? Kann man die Stimme nicht einmal frei im Raum fliegen lassen trotz klanglicher Trockenheit und gewaltiger, unregelmäßiger Nachhallzeiten? Gäbe das nicht genau jene fremde, ‚schmutzige‘ Archaik, die diese Komposition eigentlich benötigt, wenn sie einen Anfang in weit entfernter Vergangenheit gestalten soll?

Das niederländische Musiktheaterkollektiv Silbersee reihte die vier Sängerinnen streng frisiert und in einfache beige Kutten gesteckt an der Rampe auf. Sie klangen – schön. Eine dramatische Aussage gab es kaum. Die lieferte auch Luigi Nonos arg zaghaft angegangene „fabbrica illuminata“ nicht. Die Solisten begab sich von oben nach unten, wo die ganze Zeit Tänzer sich müde im Kreis herum schleppen, die fast verzweifelte Wut, die hier für Singstimme und teilweise dokumentarische Tonbandaufnahmen gesetzt wurde, vermittelt sich kaum, trotz raffinierter, geradezu exquisiter Klangregie. Das längste Stück des Abends, die ‚Machinations‘ von Georges Aperghis, markierten auch dessen Höhepunkt, denn in der lebendigen, wie auf Schienen locker ausagierten und mit akrobatischen Schauwerten aufwartenden Choreographie von Johanne Saunier steckte viel Leben. Zudem vermittelte sie das Spannungsverhältnis Mensch – Maschine, um das es hier geht. Zudem wurde die stammelnd um sich kreisende, sich seltsam ruckartige Musik blenden erfüllt und öffnete eine weitere Skala – von präzivilasotirischen Lautkombinationen bis hin zu sophistischer, spätintellektueller Dekadenz. Danach noch einmal Yannis Kyriakides mit untergründig brutalen, elektrischen Sphärenklängen.

Das war es. Vier Musikstücke unterschiedlicher Natur und Qualität, verbunden durch das Kostümbild, die bewegliche gläserne Bühnenskulptur von Floriaan Ganzevoort und die zu oft plump illustrierenden, auch die Textprojektionen gestaltenden und überschreibenden Videos von Frederik Jassogne und Bart Moens. Eine Entwicklung entsteht in keinem Moment. Die Struktur bleibt ausgeklügelte Behauptung. Die Diskurs-Idee, dass und ob der Mensch durch die durchdringende Digitalisierung bereits im Begriff steht, sich selbst, zumindest als das Handeln bestimmender Faktor abzuschaffen, schafft es nicht auf die Bühne. Nichts Neues also in der Intendanz von Johan Simons.