Übrigens …

Ballet of Difference im Köln, Schauspiel

Der Körper als lebendige Kunst

Die Tanz-Diaspora rief, und Richard Siegal kam. Nach Köln, wo Tanz und Ballett seit Jahren ein eher bescheidenes Dasein fristen. Mit dem US-amerikanischen Tanz-Choreografen sollte Kölns Renommee ein wenig aufgepäppelt werden. Also schloss man mit ihm und seiner Truppe einen Vertrag, der eine „künstlerische Partnerschaft“ mit Kölns Schauspiel für drei Jahre garantiert.

Nach dem Auftakt im Juli des letzten Jahres trumpfte Siegals multinationales „Ballet auf Difference“ jetzt in Kölner Schauspiel-Depot 1 ein zweites Mal auf. Mit zwei bereits bekannten Stücken und einem neuen, das seine Uraufführung am Rhein erlebte. Diesem, dem Made for Walking, ging BoD voraus. Ein mitreißendes Stück Tanztheater, das von der Vielfalt der Truppe Zeugnis ablegt.

Beat und Spitzentanz gehen hier, individualisiert und voller Vielfalt, eine beeindruckende Einheit ein. Fünf Tänzerinnen und fünf Tänzer, in zauberhaft verpielte Kostüme gesteckt, bewegen sich in einem ständigen Musik-Fluss. „Panta rhei“, „alles fließt“, Heraklits philosophische Grundierung hat in Siegals Stück eine tänzerische Form gefunden. Die scheinbare Schwerelosigkeit begeistert, und bei aller Rhythmisierung wirkt die Choreografie zart und poetisch, ist entfesselt und zugleich gebändigt. Von Tänzerinnen und Tänzern, deren Körperlichkeit gleichsam ins Schweben kommt. Ihr Körper ist Material für sinnenfrohes Theater. Einzelne lösen sich immer wieder aus der Gruppe, verlassen den geschlossenen Kreis, kommen wenig später wieder zurück, um sich in neue Konstellationen zu begeben.

Wie ein ästhetisches Kontrastprogramm zu dieser Sinnenfreude wirkt danach die Uraufführung Made for Walking. Auf Spitzentanz und individuelle Tanz-Lust folgen blasse Farben und strenge Formen. Grau sind die knöchellangen Kleider, hart der Schritt in klobigen Schuhen, monoton und dunkel die Musik. Verkrampft, wie unerlöst bewegen sich die drei Tänzerinnen und ein Tänzer durch den Raum. Von dem - folgt man dem Text im Programmheft - „polyrhythmischen Zusammenspiel“, was auch immer das meint, ist wenig zu spüren.

Elektronische Impulse scheinen die sieben Tänzerinnen und fünf Tänzer in Siegals aus dem Jahr 2013 stammendem Stück UNITXT vorwärts zu treiben. NOISE schiebt sich in riesigen Lettern ins Bild. Abgehackt sind die Bewegungen, stereotype Rhythmen bestimmen den Tanz. Dressiert wirken die Zwölf, wie einem fernen Befehl folgend. Bis sie sich aus dieser Zwangssituation allmählich lösen, die Gruppe verlassen und in zauberhaft schönen Duetten das Leben genießen. Ein Ausbruch, der sich in Schattenrissen verliert. Wir sind in der SIGNAL-Phase, wie riesige Lettern auf einer Leinwand bedeutungsschwer suggerieren. Die Musik wird aggressiver, treibt die Tänzer in einen Rhythmus-Rausch des ganzen Körpers, um in SILENCE zu enden. In einer „Stille“ freilich, die alles andere ist als still. Als großes Spektakel endet das Stück - und der Abend lässt die Begeisterung des Publikums hohe Wellen schlagen. Nicht zu unrecht.