Petruschka/L'Enfant et les Sortilèges im Duesseldorf Oper

Comics im Opernhaus

Auch die zweite Co-Produktion der Deutschen Oper am Rhein mit der Komischen Oper Berlin verspricht ein Publikumsrenner zu werden. Denn wieder sorgt die britische Theatergruppe 1927 für ein Musiktheatererlebnis der ganz anders unterhaltsamen Art.  

Regisseur Barrie Kosky gewann die Truppe für das Musiktheater. Seine Inszenierung der Zauberflöte von 2012 ging in der filmisch animierten Comic-Ausstattung der Briten - nach den Aufführungen in Berlin und Düsseldorf/Duisburg - um die ganze Welt. Nun haben sich Suzanne Andrade und Esme Appleton (Regie) samt Paul Barritt (Animation) an Igor Strawinskys Burleske Petruschka gewagt und das Ballett von 1911 in der musikalischen Fassung von 1947 an Maurice Ravels Opern-Einakter L'enfant et les Sortilèges (Das Kind und der Zauberspuk) gekoppelt. Sie erzählen die russische Jahrmarktgeschichte und das spukige Chaos im Kinderzimmer mit der außergewöhnlichen, aufwändigen Technik, der sie sich verschrieben haben: Animierte Comics voller Poesie und Charme stehen in Rhythmik und Tempo ganz im Dienst der Musik, an die sich der Film bei jeder Vorstellung mit minutiöser Präzision anpasst. Großes Kino im Musiktheater!

Da flattern und fliegen Vögel über den Leinwandhimmel zu den flirrenden Leierkastentakten von Strawinskys Musik. Grell buntes Volk vergnügt sich auf Karussell und Riesenrad. Geometrische Figuren explodieren wie Feuerwerksraketen. Der böse Puppenspieler, der Ballerina, Moor und Petruschka, das russische Kasperle, tyrannisiert, jagt den Flüchtenden nach. Die Marionetten, deren Beziehung an der Rivalität der beiden Männer um die traurige Ballerina tragisch endet, ist hier ein Akrobaten-Trio, was das russische Flair der Jahrmarktszenen unterstreicht.

Kommen die drei Artisten Tiago Alexandre Fonseca (Petruschka, der Clown), Pauliina Räsänen (Ptitschka, die Akrobatin) und Slava Volkov (Patap, der Muskelmann) als einzige live auftretende Personen mit aus der Berliner Einstudierung an den Rhein, so ist die Sänger-Besetzung in dem Ravel-Einakter vom Haus-Ensemble besetzt. Verflixt liebenswert sieht der pfiffige Knirps in der Animation aus, den seine strenge Mutter (Marta Márquez) in sein Zimmer gesperrt hat, damit endlich die Hausaufgaben erledigt werden. Aufgeplustert (Kimberley Boettger-Soller und Sara Blasco Gutiérrez als Double) verliert die Figur viel von ihrem Charme und Witz, wohingegen die zierliche Elena Sancho Pereg als Gesicht im Bild der Sonne die rührende Kindlichkeit der Geschichte unterstreicht. Eindeutig aber überzeugen zu Ravels Kinderzimmerchaos die fantasievollen Animationen insgesamt mehr als die Bühnenmenschen.

1927 - benannt nach dem Jahr, in dem der Stummfilm Konkurrenz vom Tonfilm bekam - arbeitet mit vielen Reminiszenzen an die filmische Pantomime, in diesem Fall bis hin zur Kopie Petruschkas als Buster Keaton.  

So wie Mozart sich seinerzeit nicht zu schade war, mit der Zauberflöte das Wiener Volkstheater zu bedienen, so ist die englische Theatergruppe 1927 frech genug, diese populärste aller Opern und nun ein legendäres Ballett und einen Opern-Einakter in heutiger Popart für die Musiktheaterbühne aufzubereiten. Vielleicht erweist sich diese bühnentechnisch enorm aufwändige Lesart nur als ein zeitgebundener Gimmick. Ganz gewiss aber öffnet sie erst einmal die Türen zum ehrwürdigen Düsseldorfer Opernhaus ganz weit.