Übrigens …

For You My Love im Globe Theatre Neuss

Lustvoll-ironischer Tanz tragischer Helden

William Shakespeare als Sonetten-, Tragödien- und Komödien-Allrounder kennt jeder, der dem elisabethanisch geprägten Genie einmal verfallen ist. Dass er auch als Inspirator für tänzerische Bewegungen und bewegende Tänze auf die Bühne gelangt, dürfte nicht so bekannt sein. In Neuss durften die Gäste des 29. „Shakespeare-Festivals“, erstmals in dessen internationaler Geschichte, das tänzerische Potenzial bewundern, das offenbar vom Genie William ausstrahlt. Mit For You my love bekennt die Johanna-Richter-Company aus München ihre Liebe zu Shakespeare.

Ehre, Liebe und Kampf

Ihre „Liebe“ gilt den großen Tragödien Shakespeares. Romeo und Julia tauchen lebendig wieder auf, Othello trägt seine dunkle Haut zu Markte, auf dem auch König Lear, Macbeth und der humpelnde Richard III. tänzerisch-schauspielerisch auf neuen Feldern agieren. Zwei Tänzer und drei Schauspieler spielen das Spiel der tragisch lebenden und sterbenden Helden. Macht und Ehre, Liebe und Kampf sind die Stichworte für Grenzüberschreitung und Rückfälle in archaisch anmutende Urzeiten.

Witz, Humor und Ironie
Doch das bewegungsfreudige Quintett kann noch mehr als sich verrenken, verdrehen oder Morde tänzerisch zu ästhetisieren. Sein Spiel ist auch und gar nicht selten von Witz und Humor geprägt. Selbst Ironie bis hin zum Sarkasmus, die sich vor allem in den eigenen Texten widerspiegeln, mit denen sie auch oft auf unnachahmliche Art den Stücken ihr Pathos entziehen, kitzeln aus den Tragödien köstliche Szenen heraus.

Männer, nichts als Männer
Es sind Szenen, die man kennt, wohl auch kennen muss, um ihren Reiz zu erleben. Es beginnt mit
Romeo und Julia. Sie treffen sich, winden sich umeinander und treiben das Rest–Trio der Darsteller in die Rolle der verfeindeten Familien Montague und Capulet. Männer sind sie übrigens alle, auch das Liebespaar. Und damit ganz bei Shakespeare, auf dessen Bühne nie eine Frau eine Chance bekam.

Mit der Lerche kommt die Komödie
Wie dann einer von ihnen in die nächtliche Liebesszene „hineinflattert“, mit spitzen Lippen die Nachtigall, wenig später die Lerche imitiert, bricht der Ernst auf - und ins erwartet Tragische schmuggelt sich eine feine Komödienspur. Und wenn das Paar, sie zunächst nur scheintot, während er sich mit Gift aus der Flasche wirklich tötet und dann auf sie niedersinkt: Stets klingt Humor mit, nie wird es pathetisch überhöht.

Naive Narren in der Bütt
Locker gefügte Szenen sind es, mal tänzerisch, mal stark pantomimisch, in denen sich das in dunklen Anzügen über weißen Hemden mit Krawatte bewegende Quintett nicht selten zu körperlichen Höchstleistungen aufschwingt. Wenn dann
Hamlet auftaucht, verbal auf Dänisch angekündigt, wird‘s ebenfalls immer wieder humoristisch-kabarettistisch. Des ermordeten Papas Geist ist eher eine Witz- denn eine Schreckensfigur. Wenn zudem einer die Frage „Sein oder nicht sein“ stellt, geschieht das unter der Maske der Komik. Und wenn die Schauspieler-Truppe aus einer karnevalistisch anmutenden „Bütt“ heraus die Szene beherrscht, ist alles vorhanden, was diese Szene der naiven Narren immer so wunderbar macht. Geradezu mitreißend auch, wenn ein als Sportreporter auftretender Interviewer den sterbenden Laertes nach seiner Stimmung befragt, als wäre es eine TV-Sendung von heute, so banal wie kabarettreif.

Ein Taschentuch führt zum Mord
Othello und das schließlich aus Eifersucht heraus tödlich wirkende, von Desdemona verlorene Taschentuch, bieten den nächsten Höhepunkt. Ungestörtes Liebesgetänzel bestimmt den Beginn, ehe die Jagos um das Paar herum dazwischentreten, stören, den Kontakt unterbrechen: eine ebenso einfache wie sprechende Szene, die die Trennung des Liebespaares im Bild vor wegnimmt.

Aus der Gurgel spritzt das Blut
Im
Macbeth“-Gewusel, gemixt aus tänzerischen Bewegungen und blutigen Morden, fließt dann massenhaft imaginäres Blut. Der Königsmörder, Wachs in den Händen seiner machtgierigen Gemahlin, schneidet allen Gegnern, die unter seinem Arm und dem gezückten Schwert herkriechen, die Gurgel durch.

Grandioser Schwerterkampf - und ein Happy End
Und wenn sich aus dem Königsmörder
Macbeth ein grellböse grinsender Richard III. herausschält, mit Kissen zum Buckligen verwandelt, ist die eineinhalbstündige Blutreise (fast) zu Ende. Ein grandioser Kampf mit schweren Schwertern und geradezu gefährlich anmutenden Körpersequenzen lässt erkennen, dass hier Schauspieler einer Sonderklasse am Werk sind. Bis zu der Szene, in der sie sich, alle in weißen Hemden, wie erlöst umarmen. Wenn das mal kein Happy End ist. Doch ironischer und zugleich versöhnlicher kann die ungewöhnliche Performance namens For You my love nicht enden.
Sir William wäre sicher „very amused“. Das Publikum jedenfalls feierte die Truppe enthusiastisch.