Übrigens …

Ghost Writer and the broken Hand Break im Asphalt-Festival Düsseldorf

Gefangene einer visuellen und akustischen Überwältigung

Es ist der zweite Tag des Asphalt-Festivals und wieder werden wir über die Gitter-Außentreppe ins oberste Stockwerk der ALTEN FARBFABRIK in einen dämmrigen Raum geführt, in dem wir uns rundum an den Wänden auf den Boden setzen oder stehen bleiben können. In der Raummitte zeichnen sich drei kreisförmige Lichtkegel von ca. 2,50 Meter Durchmesser ab. Irgendwo im Dunklen verbirgt sich ein Synthesizer, der langsam den Raum mit Technoklängen füllt (Musik: Pieter de Meester).

Scheinbar aus dem Nichts erscheinen die drei Performer: Miet Warlop (auch die Choreographin) im üppigen dunklen Herrenblouson und weißen Söckchen und die Brüder Wietse und Joppe Tanghe in schwarzen Jeans und nacktem Oberkörper, gleichfalls auf weißen Socken. Jeder bewegt sich um die eigene Achse drehend in eine der Kreismitten, breitet die Arme aus und fährt fort, in Sekundenschnelle zu den hämmernden Rhythmen zu kreisen. Dabei singen sie lautstark zu Technomelodien, die im Wechsel mit Instrumentalstücken eingespielt werden. Gelegentlich begleiten die beiden Tänzer den Elektrosound durch heftiges Körperklatschen, das durch die Verstärker an ihrem Körper gesteigert wird, während die Tänzerin unermüdlich die Arme ausgebreitet hält, bis den Dreien von außen Instrumente gereicht werden. Ohne ihr Kreisen zu unterbrechen, greift Miet nach einem Becken und Schläger, die Männer nach Elektrogitarre und Trommel. Singend, brüllend und rappend wirbeln sie unermüdlich fort und fort um die eigene Achse. Äußerste Konzentration und Selbst-Kontrolle demonstrieren sie. Produzieren zugleich explosive, befreiende Hingabe und Ekstase, mit der sie den Beobachter erfassen und überwältigen. (Leider bleiben die gesungenen und gerappten Texte für das Publikum unverständlich, da sie nicht eingeblendet und auch nicht verschriftlicht ausgeteilt werden.)

Mehr und mehr steigert sich der Allround-Techno zu ohrenbetäubendem Lärm, Wände und Boden schwingen mit. Drum und Bass ergreifen den eigenen Körper unweigerlich – physisch und psychisch - bis zur Unerträglichkeit. Es gibt kein Entkommen aus dieser Überwältigung.

Selbst bei der Erinnerung, der Vergegenwärtigung im Zurückrufen der Vereinnahmung, der Bedrängung durch visuelle und akustische Zwänge, fühle ich den Schwindel in mir aufkommen.

Da bleibt die Frage nach dem Sinn dieser Selbst- und Fremd-Entäußerung durch den Wirbeltanz, der seine Inspiration aus dem berühmten Drehtanz sufistischer Derwische bezieht. Was da im Ursprung religiöse Ekstase erzeugt, soll hier zur Reflexion des alptraumhaften Zeitgeistes führen. Unter dem Einfluss hypnotischer Rockmusik behaupten die Performer - gleichsam mit zerstörter Handbremse, der broken hand break – eine Reflexion der Katastrophen unserer Zeit. Ein gewagtes Wahrnehmungsexperiment, dem ich mich gern entzogen hätte.

Das Publikum harrte aus und applaudierte begeistert.