Spektakulärer Totentanz
Danse Macabre lautet der Titel eines Stücks, das Ende der vergangenen Woche an zwei Abenden im Zelt des Düsseldorf-Festivals seine Deutschland-Premiere erlebte. Das Publikum am Ende der gut neunzigminütigen Vorstellung war mehr als begeistert und sparte nicht mit Applaus für die vier Darsteller, die in den anderthalb Stunden auf der Bühne Unglaubliches geboten hatten. Konzept, Regie und Choreographie stammten von dem Schweizer Theatermann Martin Zimmermann. Und er übernahm neben dem Trio Tarek Halaby, Dimitri Jourde und Methinee Wongtrakoon sogar noch die vierte Rolle, die des Todes, der immer dabei ist.
Minutenlang liegt die Bühne zu Beginn des Theaterabends im Dunklen, erst nach und nach kann man einen gewaltigen Haufen Papier, Kartons, Tapetenrollen, Fetzen von Stoff und sonstigen Unrat entdecken, aus dem sich der Tod langsam und staksig ins Zentrum des Geschehens schält. Ort der Handlung ist eine Müllkippe, wie es sie so oder ähnlich überall auf der Welt gibt. Einziger Unterschied im Theaterzelt: Die Müllkippe stinkt nicht wie Müll sondern sondert überhaupt keine Gerüche ab. Die drei Figuren neben dem Tod sind eine kleine Tänzern, ein dicker, älterer Mann und eine diverse Person mit Stöckelschuhen und Kleid, Bart und wallendem Haar.
Nachdem sich die drei aus Kartons und Plastiksäcken herausgearbeitet haben, stürmen sie auf ihre Müllhalde, über der eine Art Baracke schwebt, die ständig schwankt und in die Tiefe zu stürzen droht. Atemberaubende Artistik, die viel an die Stummfilmkomiker Stan Laurel und Oliver Hardy oder Buster Keaton erinnert, Slapstik-Einlagen, Clownerien aber auch Gewaltszenen zwischen dem älteren Mann und der diversen Person, die mehrfach ein Stück Müll als vermeintliches Baby zu gebären scheint, lassen dem Publikum das Lachen im Hals steckenbleiben.
Pausenlos gibt es bei nur vier Protagonisten in den unterschiedlichsten Ecken der zugemüllten Bühne neues Makaberes, Trauriges, Anrührendes oder Groteskes zu entdecken. Oft gleichzeitig, so dass man als Zuschauer kaum hinterherkommt. Gesprochen wird so gut wie gar nicht, stattdessen brummt und summt der Alte, die diverse Person bringt Töne wie von einer Oper hervor, die Tänzerin gefällt sich im Schweigen und der Tod macht nur Grimassen, grinst, schwingt einen Besen und hüllt manchmal einzelne des Trios un Papierbahnen ein, was tatsächlich zu einer wenige Minuten dauernden kleinen Modenschau auf einem Müll-Parcour gerät.
Müllkippen befinden sich - auch hier bei uns - irgendwo in Schmuddelzonen am äußersten Rand von Städten. Die Personen, die sich in Danse Macabre auf der Müllhalde „häuslich eingerichtet" haben, sind auch Randständige der Gesellschaft. Sie sind - wie die kräftig schwankende Baracke ihrer Müllhalde - ständig vom noch tieferen Absturz bedroht und davon, selbst zu Abfall zu werden. Am Ende spricht die diverse Person eine Art Hoffnung an. Dazu gehöre immer, ein Ziel vor Augen zu haben und daran zu glauben, dass man es - trotz aller Bedrohung und Ausgrenzung - vielleicht erreichen kann.
Fast zwei Drittel der Zuschauer im Theaterzelt im Herzen der Düsseldorfer Altstadt stehen am Ende des Stücks und applaudieren heftigst. Zimmermann hat einmal mehr eine grandiose Inszenierung geschaffen, eine Mischung aus Zirkus, Tanz, Theater und mit spektakulären Bühneninstallationen.