RUNthrough III im Mülheim/Ruhr, Ringlokschuppen

Ein Amalgam verschiedener Tanzstile

Stehen. Wippen. Erst leicht wippen, dann schneller und forcierter wippen. Auch die monotonen Beats von DJ Franco Mento werden... nun, wenn nicht schneller, so zumindest lauter. Es folgen langsame Drehungen der Oberkörper. In die Beats mischen sich fremde folkloristische Sounds, aber auch maschinelle Rhythmen. Je mehr die nach wie vor recht statischen Körper in Schieflage geraten, desto stärker vermitteln sie den Eindruck einer zeitlupenartigen, in Einzelbilder zerlegten Wiedergabe von Tanzbewegungen. Einzelne Tänzer treten heraus aus der Gruppe, they „run through“ the group, haben sekundenkurze Soli. Und ordnen sich wieder ein zu weiteren gemeinsamen Choreografien.

Zur Vorbereitung ihres Projekts RUNthrough (das inzwischen in den Versionen I - III existiert und immer wieder überarbeitet und weiterentwickelt wird) hat die Bonner Gruppe CocoonDance verschiedene Begegnungen mit Vertretern anderer Performance-Arten arrangiert. Man traf sich mit Menschen aus der Rapper- und aus der Voguing-Szene, mit Schauspielerinnen und Schauspielern, Folklore-Gruppen und Sportclubs. Darüber hinaus nahm man an Workshops mit Vertretern unterschiedlicher performativer Stile teil. RUNthrough nimmt Inspirationen aus der serbischen Folklore und aus dem klassischen indischen Tanz-Repertoire ebenso auf wie aus dem inklusiven Theater, dem Urban Dance und dem Voguing. Ob man das alles erkennt? Nun, die Diversität all dieser Gruppen und Stile spiegelt sich auch in der Besetzung der Chorografie wider: Fünf Tänzerinnen und drei Tänzer, alle unterschiedlich groß und alle von unterschiedlicher ethnischer Herkunft, bilden ein Ensemble, das homogen und zunehmend energetisch agiert. Für die Homogenität stehen die einheitlichen, nahezu exakt gleichen blauen Kostüme. Aus den teilweise diametral entgegengesetzten performativen Stilrichtungen hat man eine eigene, in sich homogene Körpersprache entwickelt. Es wäre vermessen zu behaupten, dass alle Einflüsse fremder Tanzkulturen noch identifizierbar wären - vielleicht war das nicht einmal die Absicht.

Aber man findet Elemente des typischen CocoonDance-Stils aus ihren mitreißenden früheren Performances wieder, aus „Standard“ (siehe hier), „Momentum“(siehe hier) oder anderen. Die Entstehung von Energie aus anfänglichem Stillstand gehört zum Beispiel dazu, die Entstehung von Tanz aus einem zunächst einfachen Bewegungs-Repertoire. Das kann auch mit einem vorübergehenden virtuosen Stolpern einhergehen - bei RUNthrough geschieht dies, als einer der Performer aus der Gruppe ausschert. Ist das ein Aufruf zur Disziplin, zur Konformität der Gruppe, die ein gemeinsames Ziel verfolgt? Es wirkt eigentlich eher wie die Demonstration eines weiteren hochanspruchsvollen performativen Bewegungs-Stils. Aber eine andere Performerin tanzt ein großartiges Solo inmitten der Gruppe und überzeugt durch Eleganz. - In einer kurzen Sequenz kreisen die Tänzerinnen und Tänzer umeinander wie in einem Breakdance-Fahrgeschäft auf der Kirmes. Ein paarmal wirkt die Gruppe wie ein riesiges vorsintflutliches Tier. Tatsächlich erklingen Urwaldgeräusche, erklingt Krächzen und Schnarren von Wasser- und Waldvögeln. In vielen Momenten scheint die Performance von CocoonDance auch etwas über die Evolution zu erzählen. Sie erzählt dann von der Evolution des Tanzes ebenso wie von der Evolution der Lebewesen bis hin zum Menschen. Was insbesondere in den Schlussminuten die Bauchmuskeln leisten, geht darüber hinaus: Das ist schon übermenschlich.