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Recuerdos im Theater Münster

„Recuerdos“: Stilvolle Erinnerung an Daniel Goldin

Irgendwann bringt einer Blumen auf die Bühne. Einen Magnolienzweig? Der Mann setzt sich an den Flügel und spielt Maurice Ravels traumschön-traurige Pavane für eine verstorbene Prinzessin. Und wenn der letzte Ton verklingt und der Pianist - es ist Münsters früherer Generalmusikdirektor Rainer Mühlbach - im Dunkeln verschwunden ist, bleiben die Blumen liegen. Sie werden im Verlauf des Abends noch eine Rolle spielen.

Die Blumen und die Musik sind Teile einer Huldigung: Im Kleinen Haus des Theaters Münster wird an diesem Samstagabend an Daniel Goldin erinnert (Recuerdos), den 2024 mit 66 Jahren verstorbenen Choreografen. Er hatte unter den Intendanten Thomas Bockelmann und Wolfgang Quetes das Tanztheater geleitet. Mehr als 30 Stücke schuf er in diesen Jahren und faszinierte damit ein treues Publikum, was auch die jetzige Chefchoreografin Lillian Stillwell in ihrer Begrüßung staunend bewundert. Zu den Freunden und Wegbegleitern, die den stimmungsvollen Abend gestalten, haben sich auch viele dieser Zuschauer gesellt: Das Haus ist voll.

Es ist kein schlichtes „Best of“, das sie hier in gut zwei Stunden erleben, sondern vor allem im ersten Teil ein klug konzipiertes Programm, das Blicke in die Vergangenheit mit neuen Stücken in der Nachfolge des argentinischen Tänzers und Choreografen verbindet. So gibt es ein Video, in dem Goldin von einem Preis spricht, den er in seiner Heimat erhielt und der es ihm ermöglichte, nach Deutschland zu kommen, um im Folkwang Tanzstudio und dem Wuppertaler Tanztheater der legendären Pina Bausch seine eigentliche künstlerische Heimat zu finden. Sehr schön passend dazu sind die gefilmten Passagen aus Goldins 1992 erarbeitetem, von ihm selbst mitgetanzten Werk La Sombra y la Luna: Man sieht einen jungen Tänzer, der beglückt seinen Weg beschreitet.

Um die Dialektik des Unterwegsseins und Ankommens geht es in der feinen Ansprache von Tonja Wiebracht, die in Münster seine Dramaturgin war. Der noch junge Intendant Thomas Bockelmann hatte Goldin 1996 an die „Städtischen Bühnen Münster“ geholt - eine folgenreich kluge Entscheidung. Vom Angekommensein an diesem Haus künden im Laufe des Abend Solotänze etwa von Daniel Condamines, Juliette Boinay oder Helena Maciel Fernandino. Dabei gibt es fabelhafte Kontraste: So folgt auf das poetisch suchende, tastende Stück Condamines aus dem Schwarzen Engel die sinnlich-lebensvolle Improvisation von Ines Schwerter, und zwischen zwei dramatischen Passagen im zweiten Teil taucht die verschmitzte Olimpia Scardi mit einem kurzen Solo auf. Das Duo Alice Cerrato und Antonio Rusciano andererseits zeigt in Anam beispielhaft, wie Daniel Goldins Arbeit nach- und weiterwirkt. Wofür auch das von Tsutomu Ozeki gestaltete Solo zum Flötenspiel Friederike Wiechert-Schüles gehört.

Originell zugleich die Entscheidung der Organisatoren (Matthias Dietrich, Friederike Erhart, Ardan Hussain, Oliver Iserloh, Gaby Sogl), einzelne Musikstücke ohne Tanz an Goldins Abende erinnern zu lassen: Die von Rainer Mühlbach gespielte Pavane erinnert ja zugleich an den großen Ravel-Abend im Großen Haus. Und die Blumen? Sie werden später von den Tänzern aufgegriffen, die zum Ensemble-Finale Ausschnitte aus El galpon und Isola präsentieren. Ein bewegtes Publikum applaudiert dankbar für die mit einer Fotoschau und einer Videocollage abgerundete Huldigung.