Noch mal gutgegangen?
Vorläufige Lösung des Kölner OpernstreitsDem Kölner Opernhaus ging es seit vielen Jahren nicht so gut wie in den letzten drei Spielzeiten unter dem Intendanten Uwe Eric Laufenberg. Chor und Orchester arbeiten auf hohem, manchmal höchstem Niveau, das Ensemble scheint monatlich seine Qualität zu steigern und das Haus ist (fast) immer voll. Die spektakuläre Uraufführung Sonntag aus Licht, das durch den breiten Fluss der musikalischen Erzählung faszinierende Krieg und Frieden oder die unaufdringlich und brennend intensiv heutige Lebenswirklichkeit spiegelnde Krönung der Poppea fanden viele Zuschauer jenseits des traditionellen Opernpublikums und wurden Stadtgespräch. Die Kinderoper wandelte sich von einer Opernverniedlichungsmaschine zur spannenden Sparte, die Auftragskompositionen vergibt und innovative Formate ausprobiert wie aktuell die Jugendoper „Border“ oder eine fürs nächste Jahr geplante mobile Kindergartenoper. Natürlich „sitzt“ nicht jede Aufführung, vor allem szenisch gibt es eine leichte Tendenz zu großbürgerlichem Repräsentationstheater, aber das ist ein Einwand auf sehr hohem Niveau.
Trotz des außergewöhnlichen Erfolges – und eines bis 2016 gültigen Intendantenvertrages – war die Fortsetzung von Laufenbergs Opernengagement bis vor wenigen Tagen in Frage gestellt. Gründe hierfür sind Finanzgebaren und Entscheidungsschwäche der Lokalpolitik – und vielleicht auch zu einem kleinen Teil das diplomatische Ungeschick und die sehr hoch ambitionierten Pläne von Uwe Eric Laufenberg.2011 geriet die Oper in eine finanzielle Schieflage. Die Tariferhöhungen wurden von der Stadt nicht aufgefangen, die dafür spontan aus Gründen der Finanzkrise „einmalig“ den Etat kürzte. Dazu schlug das von der Stadt gewollte, aber nicht bezahlte China-Gastspiel der Oper zu Buche. Zur Korrektur des aufgelaufenen Defizits ermittelte die Leitung unter anderem einen Zuschussbedarf für die aktuelle Opernspielzeit, der seit Oktober von Intendant Uwe Eric Laufenberg gebetsmühlenartig und zunehmend wütend kommuniziert wurde – jene fast schon sprichwörtlichen rund 34 Millionen Euro. Aus kleinlichen regionalpolitischen Gründen verschleppten die politischen Instanzen der Stadt eine Entscheidung hierüber bis ins Frühjahr, dann wurde der Etat auf 32 Millionen angehoben. Die immer wieder sich ereignenden Eklats zwischen Intendant, Oberbürgermeister und dem, eine wirklich jämmerliche Rolle spielenden, Kulturdezernenten Georg Quander sollen hier übergangen werden. OB Roters schaltete, wie bekannt, einen Vermittler ein, Rolf Bolwin, den Geschäftsführer des Deutschen Bühnenvereins, der mit großem kommunikativem Geschick den einzigen Weg aus dem Desaster zeigte: Mittelfristige Planungssicherheit. Jene 32 Millionen Euro sollen der Kölner Oper für die nächsten Jahre garantiert werden. Laufenberg kann demnach die nächste Spielzeit wie geplant spielen und für die folgenden seine Planungen anpassen und Defizite zurückführen, wenn, ja, wenn der Rat der Stadt das auch so beschließt. Hier haben zwar SPD (die Partei des OB) und Grüne die Mehrheit, aber diese haben sich, oft mit denkbar wenig Sachverstand, in den letzten Monaten eher als Gegner der „Hochkultur“ zu profilieren versucht. Auf dem Höhepunkt der Nicht-Debatte zum Thema Oper, der aktuellen Stunde im Rat der Stadt am 15.Mai, wiederholten alle Parteien stur ihre Positionen. Verständigung, Problemlösung war offenbar nicht beabsichtigt. Deutsche Politik im 21. Jahrhundert.
Die ganze Angelegenheit lässt offene Wunden zurück und verweist auf überall im Land schwelende Konflikte um Kulturförderung. Die kommunalen Kassen sind, das ist bekannt, seit der von der Großen Koalition in Gang gesetzten Umverteilung von Steuern und Abgaben, leer. Politiker denken, noch eine Binsenweisheit, immer lieber an die nächste Wahl als an das Wohl der von ihnen Regierten. Da wird Kulturförderung schnell zum Kostenfaktor mit schwammigem Inhalt. Leicht kann man Zuschüsse reduzieren, wenn man nicht weiß, was man anrichtet. Schließen kann man nicht, das könnte Proteste geben, sich zu den Einrichtungen bekennen auch nicht, das könnte Geld kosten. Und so geht es dahin, scheibchenweise. „Kulturinfarkt“ auf Raten. Das in der gleichnamigen Streitschrift vorgeschlagene Verfahren – Schließung jeder zweiten öffentlichen Kultureinrichtung, Umverteilung der Mittel in Projektförderung – ist natürlich keine Lösung des Dilemmas und das Aufrechnen von Zuschüssen gegen Spielplätze, Schlaglöcher und Hartz 4 ist dumm und gefährlich.
Um die Abwärtsspirale aufzuhalten sind Politiker wie Institutionen gefragt. Vielleicht muss die Rolle eines Stadttheaters, gerade im sozialen Gefüge Großstadt, doch ein Stück weit neu definiert werden. Sicher müssen Intendanten heute so sparsam wie möglich wirtschaften und Politiker – müssen sich zur Kultur bekennen, so oder so. Und wir, das Publikum, müssen uns nicht nur einsetzen, nicht nur unsere Unterschriften unter Petitionen setzen, wenn die Kinder schon fast im Brunnen ersoffen sind, wir sind vor allem gehalten, das, was uns Kunst und Kultur schenken, Wut und Wärme, Phantasie und Spiritualität, Wissen und Kraft, weiter zu geben an unsere Kinder und die Menschen in unserem Umfeld, die vielleicht keinen direkten Draht dahin haben. Rettet die Theater, seid Missionare der Kultur!
Mit entschlossenem Lächeln
Andreas Falentin