Übrigens …

Die Wunde Heino

Überblond, schwarze Brille, tiefe Stimme, monströs väterlich gerolltes „R“ – eine bestens eingeführte Marke mit immer noch hohem Bekanntheitsgrad. Vor etwa fünfzig Jahren legte Heino Volkslieder in ein Schlagerbett, setzte einen sich bis heute fortpflanzenden Trend und wurde aus dem Nichts Plattenmillionär. In den 70ern vergrößerte er sein Vermögen, indem er einen volkstümelnden Heimat-Stimmungs-Schlager kreierte, wo der Enzian immer blau blühte und Frauen wie die schwarze Barbara in der Regel Dirndl trugen. Als dann die große Zeit des Schlagers vorbei war, entwickelte Heino ein bemerkenswertes Geschick, sich immer wieder am eigenen Haarteil aus dem Sumpf des Vergessens zu ziehen. Er eröffnete ein Café und hieß öffentlich Fans willkommen, er führte seine Ehe öffentlich, er hieß öffentlich nach der Wende Ost-Schlagerstars willkommen und zeigte Galgenhumor in einem oft versendeten Werbespot. Namentlich in den letzten Jahren entdeckten ihn die Feuilletons als kuriosen Underdog und priesen seinen aus zahlreichen Interviews herauszulesenden Bildungsstand und geistigen Horizont ein ums andere Mal als „Authentizität“.

Mit freundlichen Grüßen, Heinos neuster Streich, stößt in eine neue Dimension vor. Auf dem Cover versucht sich der Meister als Wut-Imitator. Die Pose gerät lächerlich. Wäre der Inhalt genauso, müsste kein Wort darüber verloren werden. Heino covert Hits aus den letzten zehn Jahren. Dabei benutzt er – rechtlich unbedenklich wie das Covern – fast ausschließlich die Originalarrangement und füllt sie mit seinem Betongesang, phrasiert geistlos und eintönig und rollt das „R“ wie in „Dieterrrrrrrrrrr“, eigentlich ein Vorname in Junge von den Ärzten. Dabei tritt er, gewollt oder nicht, die Erfolgssongs, die sich durchaus als Kunstwerke beschreiben lassen, aufs Übelste mit Füßen. Er nimmt ihnen Charme, Ironie (besonders eklatant in Haus am See von Peter Fox) und Metaebenen. Er nimmt ihnen Kraft und Spaß und lässt Ödnis zurück. Er dekonstruiert sie nicht, er zerstört sie. Das Ganze hat die Anmutung eines Säureattentats auf ein kostbares Bild, es kommen einem Vergleiche in den Sinn wie – je nach Haltung – Unkrautvernichtung oder Bücherverbrennung. Die sind zu tief gegriffen, beschreiben aber die Richtung.

Und was tun die sogenannten seriösen Medien? Das „Heute Journal“ freut sich in den letzten Sendeminuten dran und will so Pensionisten am Umschalten hindern, die SZ tätschelt dem Schwarzbrillenträger onkelhaft auf Seite Eins des Feuilletons das blonde Kunsthaar wie einem Konfirmanden, der zwar bei seinem Spruch die Pause beim Komma vergessen hat, ansonsten aber toll fromm ist, „Aspekte“ jubelt gar: „Heino, der Rächer“. Alle – die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit - feiern den Underdog, der es den Etablierten mal so richtig zeigt („Was die können, kann ich auch. Und es ist sogar leicht!“). Dass er das gar nicht tut, zwar die Noten korrekt singt, die Stücke aber ansonsten komplett ignoriert und eine parodistische Ebene nie auch nur ansatzweise erreicht, ist kaum irgendwo zu lesen, zu hören oder zu sehen. Da tritt der ewige Konservative auf etwas herum, was gar nicht mehr aktuell ist – und soll ein Rebell sein oder gar ein Held?

Mutmaßlich wird auch dieser kleine Artikel wieder dazu führen, dass zumindest eine oder drei CDs mehr verkauft werden. Wollte man dem Produkt wirklich schaden, müsste man es vermutlich verschweigen. Aber die medial nicht markierte unverhüllt destruktive Tendenz verstört in einer Zeit, in der „Ich bin ein Star…“ aus dem Dschungel, eine Sendung, die geschickt Reize zur Befriedigung niedriger Instinkte anordnet, mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wird, der einstmals für bildendes und ästhetisch und geistig ambitioniertes Fernsehen stand. Wenn dieser Umgang mit Kunst und Kultur Schule macht und von den Medien weiter verklärt wird, kann es kalt werden – auch im Sommer. - Andreas Falentin